Für den Beginn der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs kommt es nicht auf die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von Zusammensetzung und Wert des Nachlasses an. Die Verjährungsfrist beginnt nicht erneut zu laufen, wenn der Pflichtteilsberechtigte erst später von der Zugehörigkeit eines weiteren Gegenstandes zum Nachlass erfährt. § 2313 II 1 i.V.m. I 3 BGB ist nicht entsprechend anzuwenden.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte, ihre Schwester, Pflichtteilsansprüche geltend.

Die Beklagte ist testamentarische Alleinerbin des am 04.02.2003 verstorbenen Vaters der Parteien. Das Testament des Erblassers, der noch zwei weitere Kinder hat, wurde 2003 eröffnet. Die Beklagte erstellte am 10.03.2004 ein notarielles Nachlassverzeichnis. Auf dieser Grundlage führten die Parteien einen Rechtsstreit über die Höhe des Pflichtteils. Mit Urteil des Landgerichts vom 05.07.2007 wurde die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.402,78 EUR zu zahlen. Erstmals im Jahr 2009 erfuhren die Parteien über einen Erbenermittler davon, dass in den Nachlass des Erblassers zumindest ein weiteres Grundstück in B. fiel. Das Grundstück wurde von der Beklagten für 24.934,44 EUR veräußert. Die Klägerin meint, ihr stehe aus dem Verkaufserlös als Pflichtteilsberechtigte 1/8 zu. Die Beklagte hat sich unter anderem auf die Einrede der Verjährung berufen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat dem Zahlungsantrag stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Die Frage, wann der Pflichtteilsanspruch verjährt, wenn nachträglich Vermögenswerte bekannt werden, ist umstritten. Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht, beginnt die Verjährungsfrist bei später aufgetauchten Gegenständen, die zum Nachlass gehören, erst mit dem Zeitpunkt, zu dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von der Zugehörigkeit jener Gegenstände zum Nachlass habe (Damrau, ZEV 2009, 274, 277). Demgegenüber hält der erkennende Senat nach seiner bisherigen Rechtsprechung die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten über die Zusammensetzung des Nachlasses und seinen Wert für irrelevant (BGH, FamRZ 1977, 128; BGH, ZEV 1995, 219 unter I 1 b).

Mit dieser Entscheidung bekräftigt der Senat seine zitierte Rechtsprechung. Dabei beruft er sich sowohl auf den historischen Gesetzgeber als auch auf den Sinn und Zweck, zeitnah zum Erbfall Rechtsfrieden zu schaffen.

Der Senat weist darauf hin, dass anderenfalls der Pflichtteilsanspruch immer wieder von neuem anfinge zu verjähren, wenn weitere Nachlassgegenstände auftauchten. Das stünde nicht nur einer Abwicklung des Pflichtteilsanspruchs in überschaubarer Zeit entgegen, sondern vertrage sich auch nicht mit der Natur des Pflichtteilsanspruchs als einheitlichem Anspruch, für den grundsätzlich nur eine einheitlich laufende Verjährungsfrist gelten könne. Der Pflichtteilsanspruch sei nicht auf einzelne Nachlassgegenstände bezogen und könne daher auch hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist nicht in Einzelansprüche zerlegt werden.

Gegen ein Abstellen auf die subjektive Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Umfang des Nachlasses spreche schließlich auch das in § 2311 I BGB enthaltene Stichtagsprinzip. Nachträgliche Änderungen der Berechnungsgrundlagen hätten deshalb nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keinen Einfluss auf die Höhe der Pflichtteilsleistung (BGH, BGHZ 7, 134, 138). Knüpfte man die Verjährung abweichend vom Wortlaut des § 2332 I BGB an die Kenntnis vom Bestand, Umfang und Wert des Nachlasses an, würde das Abstellen auf das Stichtagsprinzip unterlaufen.

Auf dieser Grundlage weist der Senat die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts ab.

Diese Entscheidung verdient uneingeschränkte Zustimmung. Besonders hervorzuheben sind die Ausführungen zum hinter der kurzen Verjährungsfrist stehenden Gedanken, schnellstmöglich Rechtsfrieden herzustellen.

Jeder Pflichtteilsberechtigte hat deshalb ein starkes Eigeninteresse daran, die Zusammensetzung und den Wert des Nachlasses noch innerhalb der Verjährungsfrist möglichst umfassend zu ermitteln. Er kann nicht damit rechnen, dass er bei nachträglich aufgetauchten Vermögenswerten noch Nachzahlungen erlangen kann.

In der Praxis wird dies dazu führen, dass Pflichtteilsprozesse bei unklarer Nachlasssituation noch verbitterter geführt werden als bisher.

BGH, Urteil vom 16.01.2013 – IV ZR 232/12

(Quelle: beck-fachdienst Erbrecht – FD-ErbR 2013, 342918)