Auch zur Wahrnehmung berechtigter Interessen dürfen keine Schreiben mit beleidigendem Inhalt öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies hebt das Münchener Amtsgericht in einem Streit zwischen zwei Wohnungseigentümerinnen hervor, der eine von beiden dazu veranlasste, ein die andere Wohnungseigentümerin beleidigendes Schreiben im allgemein zugänglichen Bereich des Wohnhauses aufzuhängen.
Zwischen zwei Eigentümern einer Wohnungseigentumsgemeinschaft in München kam es schon länger zu Streitigkeiten. Eine Eigentümerin beschwerte sich darüber, dass von einer anderen Partei im Haus ständig Lärmbelästigungen ausgingen. Ende November 2011 eskalierte der Streit. Die Eigentümerin, die sich belästigt fühlte, befestigte an der Außenseite der Wohnungseingangstür der anderen mit Tesafilm ein handgeschriebenes Schriftstück, das mit den Worten begann: «ihr unverschämtes, egoistisches Herumschlagen in den frühen Morgenstunden…». Jeder, der vorbeikam, konnte das Schreiben lesen. Die so Beschimpfte verlangte von der anderen Wohnungseigentümerin, dass diese zusichere, kein Schreiben mehr aufzuhängen oder sonst irgendwo in dem Anwesen öffentlich bekannt zu machen. Das Schreiben sei sehr verletzend und beleidigend.
Das AG München gab der von dem Schreiben betroffenen Wohnungseigentümerin Recht und verurteilte die Gegenseite zur Unterlassung. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte das Gericht ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000 Euro an, ersatzweise sechs Monate Ordnungshaft.
Die Beklagte habe keinen Anspruch darauf, Schreiben mit beleidigendem Inhalt gegen die Klägerin öffentlich zugänglich zu machen. Sie könne sich auch dann nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, wenn die zugrunde liegenden Vorwürfe zutreffen sollten. Es könne daher dahinstehen, ob die Vorwürfe berechtigt seien. Die Beklagte könne zur Durchsetzung ihrer Rechte andere Wege beschreiten, zum Beispiel den einer Klage gegen die Lärmbelästigungen. Sie hätte auch ein verschlossenes Schreiben schicken können oder ihr Anliegen im Rahmen einer Eigentümerversammlung vortragen können.
Das Schreiben sei beleidigend und habe einen verletzenden Inhalt. Zunächst sei von «unverschämtem egoistischem Herumschlagen» der Gegenseite die Rede, ebenso auch davon, dass die Klägerin den Hausfrieden «durch ihre sechsmonatigen Renovierungsarbeiten sowie auch noch danach durch viele Vorfälle bis aufs äußerste beeinträchtigt» habe. Diese Äußerungen seien wertend und geeignet, die Klägerin zu diffamieren. Das Anheften eines für jeden Passanten sicht- und lesbaren Zettels diene allein dem Zweck, die Gegenseite in Misskredit zu bringen. Eine Rechtfertigung sei hierfür nicht ersichtlich.
AG München, Urteil vom 15.05.2013 – 481 C 2412/12
(Quelle:Beck online)