Ein Berufsunfähigkeitsversicherer kann den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten, wenn der Versicherungsnehmer Thromboseerkrankungen verschwiegen hat, die bei Antragstellung noch nicht sehr lange zurücklagen und mit einer längeren Arbeitsunfähigkeit verbunden waren. Dies hat das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Urteil vom 05.02.2013 entschieden und einen Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente verneint.

Der Kläger, von Beruf Bauschlosser und Lagerarbeiter, beantragte im Januar 2001 bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Gesundheitsfrage im Antragsformular, ob er in den letzten zehn Jahren an Krankheiten, gesundheitlichen Störungen oder Beschwerden gelitten habe oder leide, verneinte er. Auf die Frage nach Arztbesuchen gab er für den Januar 2001 «Angina» und den Arzt an. Auf die Frage nach Arzneimitteln in den letzten 12 Monaten gab er an, über vier Tage ein Antibiotikum eingenommen zu haben. Tatsächlich war der Kläger in dem nachgefragten Zeitraum teilweise arbeitsunfähig: 1994 vier Tage wegen Schulterbeschwerden und eines Überlastungssyndroms und drei Tage wegen einer Bindehautentzündung, 1997 insgesamt acht Tage wegen Rückenbeschwerden (Hexenschuss), 1996, 1998 und 1999 jeweils zwischen 13 und 34 Tagen wegen Thromboseerkrankungen.

Die Versicherung nahm den Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung an. 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen wegen Berufsunfähigkeit unter Hinweis auf «Rückenprobleme (Bandscheibe)». Bei ihren Erkundigungen erfuhr die Beklagte von den Erkrankungen des Klägers vor Antragstellung und der Arbeitsunfähigkeit und erklärte deshalb die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung. Der Kläger hielt die Anfechtung für unwirksam. Er habe sich nicht mehr an die zur Arbeitsunfähigkeit führenden Vorerkrankungen erinnert. Außerdem sei ihm nicht klar gewesen, dass diese hätten angegeben werden müssen. Rückenschmerzen würden von medizinischen Laien nicht als Krankheiten angesehen. Er klagte auf Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente von etwa 900 Euro. Das Landgericht wies die Klage ab, weil der Kläger die Berufsunfähigkeitsversicherung durch Betrug erlangt habe. Dagegen legte der Kläger Berufung ein.

Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen. Der Versicherer habe den Vertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten. Von einem arglistigen Verhalten sei schon dann auszugehen, wenn der Täuschende weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er unzutreffende Angaben macht, und dass dadurch bei dem Erklärungsempfänger eine falsche Vorstellung entsteht, die ihn zu einer Erklärung veranlasst, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben haben würde. Dies impliziere, dass dem Täuschenden bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen bewusst sein müsse, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Vertragsangebotes beeinflussen kann. Die Annahme einer Täuschung ist laut OLG grundsätzlich gerechtfertigt, wenn Umstände verschwiegen werden, deren Gefahrerheblichkeit auch aus Sicht des Versicherungsnehmers auf der Hand liegen, also schwere oder chronische Erkrankungen. Habe der Versicherungsnehmer gewisse Umstände, auch Untersuchungen, stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die verschwiegenen angegeben, so folge daraus, dass er sich der Gefahrerheblichkeit tatsächlich bewusst war und das Schweigen daher auf Arglist schließen lässt. Das gelte auch, wenn länger zurückliegende, nicht aber aktuelle Krankheiten angegeben werden.

Im vorliegenden Fall bejaht das OLG eine arglistige Täuschung. Der Kläger habe die Gesundheitsfragen objektiv falsch beantwortet. Er habe über die offenbarte Angina hinaus im nachgefragten Zeitraum Beschwerden in weiteren Bereichen gehabt und sei deswegen auch behandelt worden. Hinsichtlich der Bindehautentzündung, die fast sieben Jahre zurückgelegen habe, hält das OLG die Einlassung des Klägers, er habe diese für unerheblich gehalten, noch für verständlich, nicht aber hinsichtlich der Schulter- und Rückenbeschwerden. Dem Kläger hätte sich bei mehrfachem Auftreten die Erkenntnis aufdrängen müssen, dass derartig überlastungsbedingte Beschwerden für den Versicherer erheblich sind. In erster Linie stellt das OLG für die Arglist aber darauf ab, dass der Kläger die Thromboseerkrankungen verschwiegen hatte, die zweimal mit einer längeren Arbeitsunfähigkeit verbunden waren und bei Antragstellung noch nicht sehr lange zurücklagen. Nachvollziehbare Gründe für das Verschweigen habe der Kläger nicht genannt. Die Beklagte hätte bei Kenntnis der arglistig verschwiegenen Umstände den Versicherungsantrag nicht angenommen.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.02.2013 – 12 U 140/12

(Quelle:Beck online)