1. Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und einer juristischen Person sind nach der gesetzlichen Fiktion des § 5 I 3 ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich nicht zuständig. Diese Fiktion gilt auch für das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, solange keine Abberufung erfolgt ist.

2. Die Fiktion greift auch, wenn ein Arbeitnehmer zum Vertretungsorgan berufen und der Arbeitsvertrag stillschweigend – formlos – um die Funktion als Geschäftsführer ergänzt wird. In diesem Fall ist der geänderte Arbeitsvertrag Rechtsgrundlage der Geschäftsführertätigkeit.

3. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert nichts an der Organstellung des Vertretungsorgans. § 5 I 3 ArbGG gilt deshalb auch bei einer Kündigung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses durch den Insolvenzverwalter.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung, über Gehaltsansprüche und vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen. Der Kläger war für die spätere Insolvenzschuldnerin zunächst auf Grundlage eines Arbeitsvertrages tätig. Später wurde er aufgrund formloser Abrede zum Geschäftsführer bestellt. Ein Jahr später wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis und stellte den Kläger unwiderruflich von der Dienstpflicht frei. Eine Abberufung als Geschäftsführer erfolgte nicht. Der Kläger hat Kündigungsschutzklage vor dem ArbG erhoben und macht zudem Gehaltsansprüche geltend. Das ArbG hat den Rechtsstreit an das LG verwiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hat das LAG den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für eröffnet erklärt.

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten war erfolgreich. Das BAG hält den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht für eröffnet. Es handele sich um keine Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber i.S.v. § 2 I Nr. 3a, b ArbGG. Der Kläger gelte als Mitglied des Vertretungsorgans der Schuldnerin nach § 5 I 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer. Diese Fiktion greife auch unabhängig davon, ob das der Organstellung zugrundeliegende Rechtsverhältnis materiellrechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet sei. Selbst wenn das Anstellungsverhältnis mit dem Geschäftsführer wegen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sei, seien nach ständiger Rspr. des BAG die ordentlichen Gerichte zuständig.

Vorliegend sei der ursprünglich abgeschlossene Arbeitsvertrag zwischen Kläger und Schuldnerin Rechtsgrundlage für die Geschäftsführertätigkeit. Mit dem Kläger sei kein zusätzlicher Geschäftsführerdienstvertrag abgeschlossen worden. Vielmehr sei der Arbeitsvertrag formlos um die Übernahme der Geschäftsführung ergänzt worden. Da der Kläger vor Ausspruch der Kündigung nicht abberufen wurde, sei der Arbeitsvertrag auch weiterhin Rechtsgrundlage einer Tätigkeit in Organstellung. Auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe daran nichts geändert. Unter Hinweis auf Rspr. des BGH zur Abgrenzung der Verantwortlichkeiten von Insolvenzverwalter und Organmitgliedern einer Insolvenzschuldnerin (BGH, BeckRS 2006, 02722) stellte das BAG fest, dass die Organstellung des Organs einer juristischen Person hiervon unberührt bleibe. Die gesetzlichen Vertreter der Schuldnerin würden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zu Arbeitnehmern i.S.d. ArbGG.

Anders wäre die Rechtswegfrage zu beurteilen gewesen, wenn der Kläger zunächst von seiner Organstellung abberufen worden wäre. Macht ein Organmitglied nach seiner Abberufung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses geltend, genügt für die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten seine bloße Rechtsauffassung, er sei auf der Basis eines Arbeitsvertrages tätig gewesen. In diesem Fall entfällt die Fiktion des § 5 I 3 ArbGG (BAG, ArbRAktuell 2013, 131 m. Anm. Arnold). Nach Wegfall der Fiktion können Ansprüche aus dem zuvor der Geschäftsführerbestellung zugrundeliegenden Arbeitsvertrag vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend gemacht werden. Das BAG bestätigt in dieser Entscheidung, dass dies gerade auch für die während der Zeit der Geschäftsführerbestellung auf einer arbeitsvertraglichen Basis entstandenen Ansprüche gilt.

BAG, Beschluss vom 04.02.2013 – 10 AZB 78/12

(Quelle:beck-fachdienst Arbeitsrecht – FD-ArbR 2013, 343958)