Steht für ein Kind unter drei Jahren ein freier, bedarfsgerechter und wohnortnaher Betreuungsplatz nur noch bei einer Tagesmutter und nicht in einer von den Eltern gewünschten Kindertagesstätte zur Verfügung, erfüllt der Jugendhilfeträger den Rechtsanspruch auf U3-Betreuung mit dem Angebot dieses freien Platzes. Ein Anspruch auf Kapazitätserweiterung besteht nicht.

Der am 02.09.2010 geborene Antragsteller beantragte im Wege der einstweiligen Anordnung, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vorläufig ab dem 01.08.2013 einen ganztägigen und wohnortnahen Betreuungsplatz in einer Tageseinrichtung zur Verfügung zu stellen. Zuvor von der Antragsgegnerin angebotene Plätze in der Tagespflege wollte der Antragsteller nicht annehmen.

Das VG Köln hat daraufhin mit Beschluss vom 18.07.2013 (BeckRS 2013, 53474) die Antragstellerin verpflichtet, dem Antragsgegner einen Ganztagesplatz in einer Tageseinrichtung innerhalb eines Umkreises von 5 km Entfernung zum Wohnort des Antragstellers zur Verfügung zu stellen. Das VG ging zum einen davon aus, dass eine Verweisung auf ein Angebot der Tagespflege durch die Antragsgegnerin nicht zulässig sei, da sich der Antragsteller im Rahmen des ihm zustehenden Wahlrechts für eine Kindertagesstätte entschieden habe. Diese Wahl sei für die Antragsgegnerin bindend. Zum anderen geht das VG davon aus, dass ein Betreuungsplatz nicht weiter als 5 km vom Wohnort des Kindes entfernt liegen darf. Dies sei jedenfalls in Großstädten unter Berücksichtigung des morgendlichen und abendlichen Verkehrsaufkommens die Grenze des Zumutbaren.

Gegen die Entscheidung des VG Köln hat die Antragsgegnerin Beschwerde vor dem OVG Münster eingelegt.

Das OVG hat der Beschwerde stattgegeben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Das OVG ist der Auffassung, dass der zuständige Träger der Jugendhilfe durchaus auf die Betreuungsform der Tagespflege verweisen darf, wenn die Eltern ihr Wahlrecht in Bezug auf eine Tageseinrichtung ausgeübt haben, es aber in einer solchen Einrichtung keine freien Plätze gibt. Aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII folge eindeutig, dass die beiden dort genannten Betreuungsformen in einem gesetzlichen Gleichrangigkeitsverhältnis stehen. Dies hat zur Folge, dass die Antragsgegnerin hier ihre Verpflichtung zur Förderung der unter Dreijährigen auch durch den Verweis auf die Angebote der Tagespflege erfüllen konnte.

Dem steht nicht das aus § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII folgende Wunsch- und Wahlrecht entgegen. Dieses steht den Eltern zwar zu und das zuständige Jugendamt ist grundsätzlich auch verpflichtet, diesen Wünschen nachzukommen. Jedoch findet dieses Wahlrecht seine Grenze, wenn keine „gewählten“ Betreuungsplätze verfügbar sind. Entgegen der Ansicht des VG Köln ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zu dem Entwurf des KiFöG nichts Gegenteiliges. Zwar spricht diese davon, dass der Rechtsanspruch entsprechend den Wünschen und Bedürfnissen des Kindes in einer der beiden Betreuungsformen erfüllt werden soll. Aus diesem allgemeinen Hinweis kann aber kein über § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII hinausgehendes Wahlrecht folgen, welches damit einen Anspruch auf eine Kapazitätserweiterung schaffe.

Anhaltspunkte dafür, dass ein Platz in der Tagespflege qualitativ schlechter wäre als einer in einer Kindertagesstätte, konnten vom Antragsteller nicht glaubhaft gemacht werden.

Auf die Frage nach der zumutbaren Entfernung kam es daher hier gar nicht mehr an. Jedoch hat das OVG dennoch Zweifel an der Entscheidung des VG geäußert. Schließlich sei schon die Vergleichbarkeit von Entfernungen innerhalb unterschiedlicher Stadtteile derselben Stadt fraglich, da die Fahrzeiten erheblich voneinander abweichen können. Solche Pauschalierungen können daher nur einen groben Anhalt bieten, sodass es immer auf den konkreten Einzelfall ankomme. Es müssen ferner sämtliche individuellen Bedarfsgesichtspunkte des Kindes und der Eltern in die Entscheidung einbezogen werden, um den jeweils zumutbaren zeitlichen und räumlichen Aufwand zu ermitteln.

OVG Münster, Beschluss vom 14.08.2013 – 12 B 793/13

(Quelle: beck-fachdienst Sozialversicherungsrecht – FD-SozVR 2013, 349621)