Eine Fluggesellschaft muss Fluggäste auch dann auf einem Anschlussflug mitnehmen, wenn das Reisegepäck erst mit einem späteren Flug transportiert werden kann. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 28.08.2012 entschieden. Der Klage eines Reisenden, die Fluggesellschaft zu einer Ausgleichszahlung wegen Nichtbeförderung sowie Ersatz der Mehraufwendungen für Unterkunft und Verpflegung, die wegen der erst am Folgetag möglichen Beförderung entstanden sind, zu verurteilen, gab der BGH statt.

Der Kläger verlangte vom beklagten Luftfahrtunternehmen aus eigenem und abgetretenem Recht seiner acht Mitreisenden die Leistung einer Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung (261/2004/EG-VO) in Höhe von jeweils 600 Euro wegen Nichtbeförderung sowie Ersatz der Mehraufwendungen für Unterkunft und Verpflegung, die den Reisenden wegen der erst am Folgetag möglichen Beförderung entstanden sind. Die Reisenden hatten über ein Reisebüro eine Flugpauschalreise nach Curaçao gebucht. Der Hinflug von München über Amsterdam nach Curaçao am 07.02.2009 sollte von der Beklagten durchgeführt werden. Die Reisenden erhielten bereits bei der Abfertigung in München die Bordkarten für den Anschlussflug. Die Ankunft des Zubringerflugs in Amsterdam war für 11.15 Uhr vorgesehen. Der Weiterflug sollte um 12.05 Uhr erfolgen. Tatsächlich kam der Zubringerflug erst um 11.35 Uhr an. Die Reisenden trafen zwar noch innerhalb der Einstiegszeit am Flugsteig des Anschlussfluges ein. Ihnen wurde jedoch die Mitnahme verweigert, weil ihr Gepäck noch nicht in das Flugzeug nach Curaçao umgeladen sei. Die Reisenden wurden daher erst am Folgetag gegen 14.00 Uhr nach Curaçao geflogen.

Während die Klage vor Landgericht und Oberlandesgericht (BeckRS 2011, 24235) erfolglos blieb, hat der BGH die Beklagte zu einer Ausgleichszahlung von 600 Euro je Reisenden verurteilt und im Übrigen die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hielt es der BGH für die Ansprüche aus der Fluggastrechteverordnung für ausreichend, dass die Reisenden mit ihrem Reisegepäck schon beim Abflug des Zubringerfluges rechtzeitig für beide Flüge abgefertigt worden waren. Bei einer solchen Verfahrensweise sei es nicht mehr erforderlich, dass die Reisenden 45 Minuten vor Abflug des Anschlussfluges noch einmal einchecken oder bis dahin auch nur ihre Bereitschaft für den Weiterflug zeigen, so die Karlsruher Richter.

Es reiche aus, so der Zehnte BGH-Senat, dass sich die Reisenden wie im Streitfall noch vor dem Ende des Einstiegsvorgangs am Flugsteig einfinden, um das Flugzeug zu besteigen. In diesem Fall könne der Weiterflug auch nicht aus dem Grund verweigert werden, dass ihr Fluggepäck nicht auf demselben Flug mitbefördert werden könne. Denn gemäß Nr. 5.3 des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 vom 11.03.2008 stelle der vom jeweiligen Reisenden unbegleitete Transport von Reisegepäck nur dann ein Sicherheitsrisiko dar, wenn der Reisende darauf Einfluss nehmen konnte. Dies sei nicht der Fall, so der BGH, wenn, wie im Streitfall, nur die Reisenden den Anschlussflug noch erreichen konnten, das bereits durchgecheckte Reisegepäck aber nicht.

BGH, Urteil vom 28.08.2012 – X ZR 128/11

(Quelle: Beck-online)