Der Arbeitnehmer kann die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte nur dann verlangen, wenn das gerügte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht bedeutungslos geworden ist.

1. Personalakten sind eine Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen. Sie sollen ein möglichst vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über diese Verhältnisse geben. Ein Arbeitnehmer kann deshalb in entsprechender Anwendung von §§ BGB § 242, BGB § 1004 Abs. BGB § 1004 Absatz 1 Satz 1 BGB die Entfernung von Aktenvorgängen, die auf einer richtigen Sachverhaltsdarstellung beruhen, nur dann verlangen, wenn eine Interessenabwägung im Einzelfall ergibt, dass eine weitere Aufbewahrung zu unzumutbaren beruflichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen könnte, obwohl der beurkundete Vorgang für das Arbeitsverhältnis rechtlich bedeutungslos geworden ist.

2. Mit einer Abmahnung übt der Arbeitgeber seine arbeitsvertraglichen Gläubigerrechte in doppelter Hinsicht aus. Zum einen weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge- und Dokumentationsfunktion). Zum anderen fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, sofern ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion).

3. Der Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung setzt deshalb nicht nur voraus, dass die Abmahnung ihre Warnfunktion verloren hat. Vielmehr darf der Arbeitgeber darüber hinaus kein berechtigtes Interesse mehr an der Dokumentation der gerügten Pflichtverletzung haben.

4. Es besteht nicht deshalb ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, eine Abmahnung in der Personalakte des Arbeitnehmers zu belassen, weil sie stets für eine eventuell notwendig werdende spätere Interessenabwägung von Bedeutung sein kann. So kann ein hinreichend lange zurückliegender, nicht schwerwiegender und durch beanstandungsfreies Verhalten faktisch überholter Pflichtenverstoß seine Bedeutung auch für eine später erforderlich werdende Interessenabwägung gänzlich verlieren. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Vertrauensbereich wird demgegenüber eine erhebliche Zeit von Bedeutung sein.

Demnach gibt es ebenso wenig wie für das Fortbestehen der Warnfunktion einer Abmahnung eine fest bemessene Frist für die Dauer, für welche ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an ihrem Verbleib in der Personalakte des Arbeitnehmers anzuerkennen ist. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwere des gerügten Fehlverhaltens. Je schwerer eine Pflichtverletzung wiegt, desto länger kann sie für die Beurteilung der Führung, der Leistungen und der Fähigkeiten des Arbeitnehmers und ggf. für seine Vertrauenswürdigkeit von Bedeutung sein. Ein auf nur geringer Nachlässigkeit beruhender Ordnungsverstoß kann seine Bedeutung für das Arbeitsverhältnis deutlich eher verlieren als ein Fehlverhalten, welches geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität des Arbeitnehmers erheblich zu beeinträchtigen. Auch eine schwere Pflichtverletzung im Leistungsbereich wird ein Interesse des Arbeitgebers an einem Verbleib der Abmahnung in der Personalakte angesichts der Möglichkeit, die Qualität der Arbeitsleistung und die Befähigung des Arbeitnehmers für höherwertige oder andere Tätigkeiten beurteilen zu müssen, für längere Zeit begründen können.

BAG 19. 7. 2012 – 2 AZR 782/11

(Quelle: Beck online)