Arbeitnehmer haben Anspruch auf den vollen tarifvertraglichen Mindestlohn – auch wenn sie zusätzlich vermögenswirksame Leistungen wie Wertpapiere vom Arbeitgeber bekommen. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Anders sei es bei Einmalzahlungen. Sie könnten Teil des Mindestlohns sein. Dies hänge aber von den einzelnen Regelungen im Tarifvertrag ab.
Geklagt hatte ein Hallenreiniger der zur Deutschen Bahn gehörenden DB Services GmbH. Er erhielt laut Tarifvertrag bis März 2008 einen Stundenlohn von 7,56 Euro und ab April 2008 einen Stundenlohn von 7,90 Euro. Der Mann wollte, dass ein für ihn günstigerer Tarifvertrag für Gebäudereiniger angewendet wird. Sein Arbeitgeber erkannte zwar die Gültigkeit dieses Tarifvertrages an. Doch die DB Services argumentierte, ihr Angestellter habe ohnehin schon viel mehr als den Mindestlohn erhalten. Er habe schließlich zwei pauschale Zahlungen von 600 und 150 Euro bekommen sowie vermögenswirksame Leistungen.
So klar sei der Fall nicht, wendet der EuGH ein. Zwar könnten pauschale Zahlungen durchaus Teil des tariflichen Lohns sein – zum Beispiel beim Übergang zu einem neu ausgehandelten Tarifvertrag. Im Urteil ist die Rede von der «Praxis (…), durch diese pauschalen Zahlungen die Anwendung der neuen Lohntabelle zu antizipieren». Die Zahlungen könnten also anstehende Lohnerhöhungen bereits vorweg nehmen. Bei vermögenswirksamen Leistungen sehe es aber anders aus. Diese unterschieden sich vom Lohn im eigentlichen Sinne. Sie würden dem Arbeitnehmer helfen, Vermögen zu bilden, zum Teil auch durch Staatsgelder unterstützt. Damit dienten sie einem «sozialpolitischen Ziel».
Der EuGH machte aber eine wichtige Einschränkung: Für die Frage, ob Einmalzahlungen als Lohnbestandteil gelten können, sei der «Wille der Parteien des Tarifvertrages» entscheidend. Auch die Rolle der vermögenswirksamen Leistungen im Fall des Hallenreinigers müsse das Bundesarbeitsgericht klären. Die deutschen Richter hatten den EuGH um Hilfe bei der Auslegung von EU-Recht gebeten, müssen den Fall nun aber selbst endgültig entscheiden.
Das Urteil schafft nach Einschätzung des Hamburger Arbeitsrechtlers Martin Mönks Klarheit. Nun stehe fest, «dass nicht alle möglichen Leistungen bei einem Mindestlohn anzurechnen sind». Mit seinem Spruch habe der EuGH die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bestätigt, sagte Mönks am 07.11.2013 der Nachrichtenagentur dpa. Das Gericht habe damit die Weichen für die Handhabung eines möglichen gesetzlichen Mindestlohns gestellt.
Schmutz- oder Erschwerniszulagen sowie vermögenswirksame Leistungen müssten weiterhin zusätzlich zum Mindestlohn gezahlt werden. «Arbeitgeberleistungen, die ausschließlich die erbrachte Arbeit vergüten, werden dagegen angerechnet», erklärte Mönks. Dies betreffe vor allem die in Deutschland üblichen, von den Tarifparteien zusätzlich zu den prozentualen Erhöhungen ausgehandelten Einmalzahlungen.
EuGH, Urteil vom 07.11.2013 – C-522/12
(Quelle: beck online)