Bei Fahrzeugen, die älter als drei Jahre sind, darf der Unfallgeschädigte bezüglich der Reparatur grundsätzlich auf eine gleichwertige «freie Fachwerkstatt» verwiesen werden. Dabei sind ihm vom Unfallverursacher oder der Versicherung aber konkrete Werkstätten zu benennen, die gleichwertige Arbeiten leisten, in zumutbarer Entfernung liegen und bereit sind, die Arbeiten günstiger durchzuführen. Ein Schadensgutachten darf der Geschädigte bei Bagatellschäden nicht einholen. Hier genüge ein Kostenvoranschlag, so das Amtsgericht München.

Eine Münchenerin stand auf einem Parkplatz, als die Fahrerin des vor ihr parkenden Pkw plötzlich rückwärts fuhr. Das Fahrzeug der Münchenerin wurde am Stoßfänger vorne links und am linken vorderen Scheinwerfer beschädigt. Die Geschädigte holte ein Sachverständigengutachten zu den voraussichtlichen Beseitigungskosten ein. Dessen Kosten in Höhe von 387 Euro sowie die voraussichtlichen Reparaturkosten in Höhe von 844 Euro verlangte sie von der Versicherung. Diese erstattete die Sachverständigenkosten gar nicht und nur 176 Euro der Reparaturkosten. Insbesondere die Stundenverrechnungssätze seien hier zu hoch angesetzt, meinte die Versicherung. Die Geschädigte hätte nicht zu einer Vertragswerkstatt gehen müssen.

Die Geschädigte zog vor Gericht und bekam zum Teil Recht. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens seien die von der Klägerin geltend gemachten Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt den Reparaturkosten zu Recht zugrunde gelegt worden, befand das AG. Zwar dürfe ein Geschädigter bei Fahrzeugen, die älter als drei Jahre sind, auch auf eine freie Fachwerkstatt verwiesen werden. Er dürfe dann aber darlegen, warum eine solcher Verweis nicht zumutbar sei, zum Beispiel weil das Fahrzeug stets in einer markengebundenen Werkstatt repariert oder gewartet worden sei, weil die andere Werkstatt nicht gleichwertig arbeiten könne, zu weit entfernt oder aus anderen Gründen unzumutbar sei.

Daraus ergebe sich, so das AG, dass die Geschädigte hier nicht pauschal darauf verwiesen werden dürfe, eine günstigere Werkstatt in Anspruch zu nehmen, sondern dass ihr eine oder mehrere konkrete Werkstätten zu benennen seien, welche eine gleichwertige Arbeit leisten können, in zumutbarer Entfernung liegen und auch tatsächlich bereit wären, günstiger zu arbeiten. Dies sei hier seitens der Beklagten nicht geschehen.

Die Sachverständigenkosten für das von der Klägerin eingeholte Gutachten seien aber nicht erstattungsfähig. Grundsätzlich sei es nicht zu beanstanden, wenn ein Geschädigter einen Sachverständigen heranziehe. Dies gelte aber nicht bei bloßen Bagatellschäden. Hier sei ein Sachverständigengutachten weder erforderlich noch zweckmäßig. Die Einholung eines Kostenvoranschlages reiche aus. Der vorliegende Schaden sei auch für die Klägerin als Bagatellschaden zu werten gewesen, insbesondere auch angesichts des Alters des Fahrzeugs von 14 Jahren und der dort bereits vorhandenen Vorschäden. Der vom Gericht bestellte Sachverständige sei unter Berücksichtigung der Stundensätze der Fachwerkstatt der Klägerin zu Reparaturkosten von 417 Euro gekommen. Diese seien der geschädigten Klägerin zu erstatten.

AG München, Urteil vom 28.09.2011 – 322 C 793/11

(Quelle: Beck online)