Der Regelbedarf nach dem SGB II für ein Ehepaar mit einem zweijährigen Kind ist nicht so niedrig bemessen, dass hierin ein Verstoß gegen die Menschenwürde oder das Sozialstaatsprinzip zu sehen wäre. Dies hat am 28.03.2013 der Vierte Senat des Bundessozialgerichts entschieden (Az.: B 4 AS 12/12 R). Insbesondere die Aufspaltung der Grundsicherungsleistungen beim kindlichen Bedarf in Regelbedarf sowie Bildungs- und Teilhabebedarfe sei nicht zu beanstanden. Die Teilhabemöglichkeiten seien zwar abhängig von den örtlichen Verhältnissen. Die Leistungsansprüche sollten jedoch lediglich gewährleisten, dass den Betroffenen eine Teilhabe im Rahmen der bestehenden örtlichen Infrastruktur ermöglicht wird.
Der Beklagte bewilligte den Klägern zu 1 und 2 sowie ihrem gemeinsamen, am 15.10.2009 geborenen Sohn, dem Kläger zu 3, im Mai 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1.182 Euro. Dabei legte er der Berechnung einen Regelbedarf für die beiden Erwachsenen in Höhe von je 328 Euro sowie für den Kläger zu 3 in Höhe von 215 Euro zu Grunde. Leistungen für Unterkunft und Heizung erbrachte er in tatsächlicher Höhe. Einen Anspruch der Kläger auf höheres Alg II und Sozialgeld hat das Sozialgericht verneint, insbesondere hat es die vom Gesetzgeber zum 01.01.2011 neu bestimmte Höhe der Regelbedarfe für verfassungsgemäß gehalten.
Auch in der Revisionsinstanz hatten die Kläger keinen Erfolg. Das BSG konnte sich insbesondere nicht davon überzeugen, dass der Gesetzgeber die Höhe der Regelbedarfe der Kläger zum 01.01.2011 unter Verstoß gegen Art. 1 GG (Menschenwürde) in Verbindung mit Art. 20 GG (Sozialstaatsprinzip) zu niedrig bemessen hat. Dies gelte sowohl für den Regelbedarf eines Alleinstehenden, von dem der Regelbedarf von zwei Erwachsenen, die zusammenleben, abgeleitet ist, als auch dem von zwei Erwachsenen, in deren Haushalt ein zweijähriges Kind lebt.
Ebenso wenig sei der für Kinder bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres gesetzlich vorgesehene Bedarf in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen, so das BSG. Sowohl die Methode (Bestimmung eines Verteilungsschlüssels für die Zuordnung der Bedarfe zu einzelnen Personen innerhalb der Familie) zur Bestimmung des kindlichen Bedarfs, als auch die Aufspaltung der Grundsicherungsleistungen in Regelbedarf sowie Bildungs- und Teilhabebedarfe führt nach Ansicht des Vierten Senats nicht zu einer Verletzung von Verfassungsrecht. Regelbedarf und Bedarfe für Bildung und Teilhabe zusammengenommen deckten den grundsicherungsrelevanten Bedarf von Kindern und Jugendlichen.
Nicht entscheidend sei dabei, dass der Kläger zu 3 im konkreten Fall keine Teilhabeleistungen in Anspruch genommen hat und nicht festgestellt worden ist, welche Teilhabeangebote in seiner Wohnortgemeinde beziehungsweise seinem sozialen Umfeld tatsächlich vorhanden sind. Die Teilhabemöglichkeiten seien zwar abhängig von den örtlichen Verhältnissen. Die Leistungsansprüche sollten jedoch lediglich gewährleisten, dass den Betroffenen eine Teilhabe im Rahmen der bestehenden örtlichen Infrastruktur ermöglicht wird. Damit reiche es für die Existenzsicherung aus, wenn die Inanspruchnahme entsprechender Angebote durch die Teilhabeleistungen grundsätzlich sichergestellt werden kann.
Unschädlich sei auch, dass der Gesetzgeber das Existenzminimum im Bildungs- und Teilhabebereich durch Sach- oder Dienstleistungen (vor allem Gutscheine) und nicht durch Geldleistungen sichert. Denn die Form der Leistungserbringung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich ihm überlassen. Ebenso wenig sei die Höhe der Teilhabeleistungen von zehn Euro monatlich für Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung sowie die Teilnahme an Freizeiten verfassungsrechtlich zu beanstanden.
BSG, Entscheidung vom 28.03.2013 – B 4 AS 12/12 R
(Quelle: Beck online)