Lebensversicherer haben gegen Kunden, die ihren Lebensversicherungsvertrag gekündigt haben, auch dann keinen Anspruch auf Zahlung noch nicht getilgter Abschluss- und Vertriebskosten, wenn sie mit ihnen eine gesonderte Kostenausgleichsvereinbarung abgeschlossen haben. Dies hat das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Urteil vom 19.09.2013 entschieden. Eine solche Vereinbarung sei wegen Umgehung des Stornoabzugsverbots jedenfalls dann nichtig, wenn sie unmittelbar mit dem Versicherer geschlossen werde und Versicherungsvertrag und Kostenausgleichsvereinbarung eine wirtschaftliche Einheit bildeten. Ferner seien die zur Fortzahlung verpflichtenden Klauseln als intransparente und überraschende AGB-Klauseln unwirksam. Das OLG hat die Revision zugelassen.

Die Beklagte schloss bei einem Lebensversicherer einen Vertrag über eine fondsgebundene Rentenversicherung und gesondert eine sogenannte Kostenausgleichsvereinbarung ab. Für die Versicherung war die Zahlung eines monatlichen Beitrags von 200 Euro vorgesehen und im Versicherungsantrag weiter geregelt, dass in den ersten 60 Monaten der Versicherungsbeitrag um die monatliche Teilzahlung der Abschluss- und Einrichtungskosten reduziert werde. Der Antrag auf Abschluss der Kostenausgleichsvereinbarung sah vor, dass die Abschluss- und Einrichtungskosten in Höhe von 6.720 Euro in monatlichen Teilzahlungen erbracht werden. Er enthielt den Hinweis, dass dem Antragsteller bekannt sei, dass er die Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündigen könne und dass die Auflösung des Versicherungsvertrages grundsätzlich nicht zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung führe, sondern die Kosten auch im Falle einer Kündigung zu bezahlen seien.

Die Beklagte bezahlte zunächst die vereinbarten Raten. Dann widerrief sie die Verträge unter anderem. Der Lebensversicherer klagte auf nach ihrer Ansicht noch offene Abschluss- und Einrichtungskosten von rund 5.200 Euro. Die Beklagte wendete unter anderem ein, sie habe die Kostenausgleichsvereinbarung wirksam widerrufen. Im Übrigen sei diese nichtig, da ein Umgehungsgeschäft zu § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG vorliege. Das Landgericht Karlsruhe erachtete die Kostenausgleichsvereinbarung für wirksam und gab der Klage statt. Dagegen legte die Beklagte Berufung ein.

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Das OLG hat das LG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach seiner Ansicht stellt eine Kostenausgleichsvereinbarung jedenfalls in der hier gewählten Ausgestaltung des «Nettopolicenmodells» eine unzulässige Umgehung des § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG dar ist deshalb nichtig. § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG verbiete dem Versicherer einen Stornoabzug für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten bei Kündigung. Damit solle verhindert werden, dass die Kündigung des Versicherungsvertrages durch eine Art Vertragsstrafe erschwert werde und der Versicherungsnehmer faktisch von einer Kündigung abgehalten werde, weil er einen Stornoabzug für Abschluss- und Vermittlungskosten hinnehmen müsse, ohne dafür eine Gegenleistung in Form der Fortführung des Versicherungsvertrages zu erhalten.

Laut OLG würde dieser Effekt aber bei der hier gewählten Ausgestaltung des «Nettopolicenmodells», bei der die Kostenausgleichsvereinbarung unmittelbar mit dem Versicherer geschlossen worden sei, eintreten. So werde dem Versicherungsnehmer durch die Kostenausgleichsvereinbarung bei näherer Überlegung zwar bewusst, dass ihm ein erheblicher Teil seiner Beiträge wirtschaftlich nicht zu Gute komme, sondern der Gegenwert von knapp drei Beitragsjahren auf Abschluss- und Einrichtungskosten bezahlt werde. Wenn wie hier von den gleichmäßig zu zahlenden Beiträgen von monatlich 200 Euro monatlich 112 Euro auf die Abschluss- und Einrichtungskosten verrechnet würden, laufe die Beitragszahlung für den Versicherungsnehmer wirtschaftlich aber genauso ab wie bei einer sonst üblichen Bruttopolice. Bei dieser würde jedoch das Verbot des Stornoabzugs gelten. Dann müsse das Verbot aber auch beachtet werden, wenn der Versicherer zwar Versicherungsvertrag und Kostenausgleichsvereinbarung formal trenne, sie wirtschaftlich aber durch eine Verrechnung eines Teils des Beitrags zur Versicherung auf die Kostenausgleichsvereinbarung wieder zusammenfasse.

Laut OLG wären im Übrigen die Klauseln, die den Versicherungsnehmer zur Fortzahlung der Leistungen auf die Kostenausgleichsvereinbarung auch nach einer Kündigung der Versicherung verpflichteten, als allgemeine Geschäftsbedingungen wegen Intransparenz unwirksam. Intransparenz liege schon in der Gestaltung der Vertragsunterlagen. Zwar sei in den Bedingungen offengelegt, dass die Abschluss- und Einrichtungskosten separat über eine Kostenausgleichsvereinbarung abgegolten werden sollten und diese Vereinbarung nicht gekündigt werden könne. Durch die übrige Gestaltung des Vertragsverhältnisses werde aber der Eindruck erweckt, dass die Verträge miteinander stehen und fallen würden. Das ergibt sich für das OLG vor allem aus dem Umstand, dass die Zahlungen zu beiden Verträgen nicht gesondert verlangt würden, sondern ein durchgehend einheitlicher gemeinsamer Betrag vereinbart worden sei, der dann teilweise auf die Abschluss- und Einrichtungskosten verrechnet werden solle.

Die Klausel stelle sich auch als überraschend dar, so das OLG weiter. Ein Verbraucher, der einen Versicherungsvertrag abschließen wolle und dafür einen Makler hinzuziehe, werde in Betracht ziehen, dass der Makler für seine Tätigkeit eine Vergütung erwarte, und damit rechnen, dass er die für die Beratung auch dann zahlen müsse, wenn er den Vertrag nicht bis zum Ende durchführe. Im Verhältnis zum Versicherer stelle sich die Situation jedoch anders dar. Der Versicherungsvermittler biete gerade keine unabhängige Beratungsleistung an, der Versicherungsinteressent werde in der Regel nicht damit rechnen, dass er die Aufwendungen, die der Versicherer für den Verkauf seiner Produkte mache, auch dann noch mit laufenden monatlichen Beträgen mitfinanziere müsse, wenn er den verkauften Versicherungsvertrag bereits aufgegeben habe.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.09.2013 – 12 U 85/13

(Quelle: Beck online)