Die Luftfahrthaftpflichtversicherung einer Fallschirmsportschule haftet bei versicherten Absetzflügen nicht nur für Schäden aus Unfällen der abzusetzenden Fallschirmspringer, sondern auch für solche verunglückter Passagiere ohne Sprungabsicht. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 26.04.2013 entschieden und das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Essen abgeändert.
Der Kläger ist Inhaber einer Fallschirmsportschule. Für die zum Absetzen von Fallschirmspringern eingesetzte Cessna unterhielt er bei der beklagten Versicherung eine Luftfahrthaftpflichtversicherung. 2009 verunglückte bei einem Absetzflug ein Passagier, der ohne Sprungabsichten mitgeflogen war, schwer, als er während des Landeanfluges durch die noch geöffnete Bordwand aus der Cessna gerissen wurde, weil sich sein Fallschirm beim Sinkflug der Maschine automatisch geöffnet hatte. Der Kläger und der Pilot wurden dem Grunde nach zu Schadenersatz verurteilt (OLG Hamm, BeckRS 2013, 07895). Sie verständigten sich mit dem Passagier anschließend auf eine Schadenersatzleistung von 260.000 Euro. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Feststellung, dass ihm die Beklagte für den Unfall Versicherungsschutz gewähren muss.
Das OLG hat einen Anspruch des Klägers auf Versicherungsschutz bejaht. Als Luftfahrtversicherer der eingesetzten Cessna sei die Beklagte einstandspflichtig. Mit dem Unfall habe sich ein durch den Vertrag versichertes Risiko verwirklicht. Zu den Schadensfällen, für die die Beklagte Haftpflichtversicherungsschutz zugesagt habe, gehörten auch solche, die sich aus einem Absetzflug ergäben. Nach Ansicht des OLG beschränkt sich der Versicherungsschutz bei einem Absetzflug nicht auf die abzusetzenden Fallschirmspringer, sondern erfasst auch die Beförderung eines Passagiers. Es sei auch nicht als Risikoerhöhung anzusehen, wenn nicht hinreichend ausgebildete oder eingewiesene Passagiere in der Maschine mitgenommen würden.
Die Beklagte kann sich laut OLG auch nicht auf Risikoausschlüsse in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen berufen. Sie habe nicht dargetan, dass sich die Cessna in einem den gesetzlichen Bestimmungen und behördlichen Auflagen nicht entsprechenden Zustand befunden habe. Der Absetzflug am Unfalltag sei auch nicht genehmigungspflichtig gewesen. Durch die Mitnahme eines nicht absprungwilligen Passagiers werde der Flug kein genehmigungspflichtiger Passagiertransport.
Auch der Einwand der Beklagten, dass der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe, greife nicht, so das OLG weiter. Eine eigene Pflichtverletzung des Klägers sei nicht vorgetragen. Nach dem Versicherungsvertragsgesetz sei dem Kläger auch nicht zuzurechnen, dass die am Unfalltag im Sprungbetrieb eingesetzten Personen vorgegebene Sicherheitsvorschriften verletzt hätten. Denn im Verhältnis zur Beklagten seien diese Personen nicht als Repräsentanten des Klägers anzusehen.
OLG Hamm, Urteil vom 26.04.2013 – 20 U 201/12
(Quelle: Beck online)