Angesichts der nunmehr geringen Anschaffungskosten von internetfähigen Computern ist es, jedenfalls wenn in einem ausländischen (hier: türkischen) Haushalt bereits ein rein beruflichen Zwecken dienender Laptop vorhanden ist, zumutbar, ein über das im Haus vorhandene Breitbandkabelnetz nicht in der gewünschten Intensität abbildbares besonderes Informationsbedürfnis (hier: Programme mit religiösen Inhalten, Sportkanal) über das ebenfalls im Haus vorhandene Internet zu befriedigen.
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, eine von ihnen angebrachte Parabolantenne zu entfernen. Das Anwesen verfügt über einen Breitbandkabelanschluss, über den auch türkische Programme (12 türkischsprachige Programme zu einem Preis von 6,95 EUR/Monat) empfangen werden können. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, mit einem Premiumpaket weitere türkischsprachige Sender für 22,50 EUR/Monat zu empfangen. Die Beklagten verfügen über einen Laptop, der ausschließlich für geschäftliche Zwecke genutzt wird. Die Teilungserklärung sieht ein Verbot der Installation von Parabolantennen vor. Die Beklagten installierten trotz eines abschlägigen beschiedenen Antrages auf Montage einer Parabolantenne gleichwohl eine solche. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat beschlossen, die Beklagten auf Beseitigung der Parabolantenne in Anspruch zu nehmen.
Nach Auffassung des LG Frankfurt a.M. handelt es sich bei der Befestigung der Parabolantenne um eine bauliche Veränderung nach § 22 WEG. Ob die Anbringung einer Satellitenantenne durch einen Wohnungseigentümer andere Wohnungseigentümer über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt, bedürfe daher einer umfassenden einzelfallbezogenen Interessenabwägung, die im vorliegenden Falle dazu führe, dass die Beklagten keinen Anspruch auf das Anbringen der Parabolantenne haben. Zulasten der Beklagten sei insoweit zu berücksichtigen, dass das Anbringen einer Parabolantenne zu einer nachteiligen Veränderung des optischen Gesamteindrucks des Hauses führt. Ein Nachteil i.S.v. § 14 Nr. 1 WEG sei jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung. Bei einer – wie hier – erheblichen optischen Veränderung des Gesamteindrucks durch das Anbringen der Parabolantenne sei ein Nachteil regelmäßig anzunehmen. Eine Beeinträchtigung läge nur dann nicht vor, wenn die vorgenommene Veränderung lediglich aus einer ganz ungewöhnlichen Perspektive, etwa aus der Luft oder von einem für Wohnungseigentümer und Dritte gewöhnlich nicht zugänglichen Ort (etwa Dachfläche) zu erkennen ist. Vorliegend sei die Satellitenanlage der Beklagten die einzige an dem Gebäude und von unten deutlich zu erkennen, dieses stelle eine optische Beeinträchtigung dar.
Dieses durch Art. 14 GG geschützte Recht der übrigen Wohnungseigentümer überwiege im vorliegenden Fall das Interesse der Beklagten auf Nutzung der Parabolantenne. Zwar könnten sich die Beklagten ebenfalls auf Grundrechte (Art. 4, 5 GG) berufen, dieses führe im vorliegenden Einzelfall allerdings nicht dazu, dass die Beklagten einen Anspruch auf Weiternutzung der Parabolantenne haben. Ebenso wie im Mietrecht könne auch im Wohnungseigentumsrecht davon ausgegangen werden, dass grundsätzlich ein sachgerechter Grund für die Versagung der Genehmigung einer Parabolantenne dann gegeben ist, wenn über einen Kabelanschluss der Empfang einer ausreichenden Anzahl von Programmen gewährleistet ist, welche dem Informationsbedürfnis des ausländischen Wohnungseigentümers Rechnung tragen. Im vorliegenden Fall sei es den Beklagten mit geringen Kosten möglich, 12 türkischsprachige Programme zu empfangen und für einen Preis von 22,50 EUR/Monat weitere türkischsprachige Programme zu sehen. Diese Kosten seien nicht zu hoch und hielten die Beklagten nicht davon ab, Informationen in der eigenen Heimatsprache zu beziehen.
Soweit auch im Premiumbereich ein Sportsender nicht enthalten ist, führe dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn für dauerhaft in Deutschland lebende Ausländer bestehe zwar ein besonderes Informationsinteresse, welches dazu führt, dass ihnen die Möglichkeit offen stehen muss, Programme ihrer Heimatländer zu empfangen, um sich über das dortige Geschehen zu unterrichten und die kulturelle und sprachliche Verbindung aufrechtzuerhalten. Dem Informationsinteresse sei aber dann Genüge getan, wenn eine ausreichende Anzahl von Programmen, die in das inländische Kabelnetz eingespeist werden, zur Verfügung stehen. Ein Anspruch auf den Empfang aller denkbaren Programme besteht demgegenüber – ebenso wie für deutsche Staatsbürger – nicht. Daher würde selbst die fehlende Möglichkeit der Beklagten über das Kabelnetz besondere Sportprogramme zu empfangen, nicht zu einer Beeinträchtigung ihrer grundrechtlich geschützten Informationsfreiheit führen. Denn dass über die im Kabelnetz empfangbaren türkischen Programme überhaupt keine Informationen über das Sportgeschehen in dem Heimatland erfolgen, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Auch aus Art. 4 GG folge kein Anspruch der Beklagten auf Duldung der Parabolantenne. Insoweit sei zunächst zu berücksichtigen, dass zentrales Element der Ausübung der Religion die Teilnahme an Gottesdiensten oder vergleichbaren Handlungen ist. Zwar könne dieses auch dazu führen, dass die Religionsausübungsfreiheit bei der Frage, ob eine Parabolantenne zu dulden ist, zu berücksichtigen ist. Dies gelte allerdings nur dann, wenn eine persönliche Teilnahme an religiösen Veranstaltungen unter zumutbaren Voraussetzungen nicht möglich ist und die Möglichkeit der Teilnahme an derartigen Handlungen lediglich durch einen Fernsehempfang mittels einer Parabolantenne gegeben ist. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht ansatzweise dargelegt. Die Beklagten hätten weder vorgetragen, welcher Religion sie angehören noch sei ersichtlich, warum ihnen die Ausübung ihrer Religion lediglich durch die Nutzung von Fernsehprogrammen möglich ist.
Zudem sei vorliegend zu berücksichtigen, dass die Beklagten die Möglichkeit haben, über einen Internetanschluss Fernsehprogramme in ihrer Heimatsprache zu empfangen. Dass in der Wohnungseigentumsanlage die Möglichkeit eines Breitband-DSL-Anschluss besteht, hätten die Beklagten ebenso wenig in Abrede gestellt wie den Vortrag der Klägerin, dass entsprechende Fernsehprogramme im Internet kostenfrei zu empfangen sind. Zwar hätten die Beklagten vorgetragen, lediglich einen Computer für die berufliche Nutzung zu besitzen. Angesichts der geringen Anschaffungskosten von internetfähigen Computern, sei jedoch insoweit nicht ersichtlich, warum die Anschaffung eines Computers für den Privatbereich und den Anschluss an das Internet die Beklagten davon abhalten sollte, ihr Informationsbedürfnis über das Internet zu befriedigen.
LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 21.05.2013 – 2-13 S 75/12
(Quelle: Beck online)