Die Kläger machen gegen die beklagte AG Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit zwei Vermögensanlageverträgen geltend, die sie am 01.12.2001 und 14.07.2002 mit einem Handelsvertreter geschlossen haben. Die Kläger unterzeichneten die Vertragsunterlagen in den mit zahlreichen Werbemitteln und Emblemen der Beklagten ausgestatteten Büroräumen des Handelsvertreters; die Verträge wiesen im rechten Teil der Kopfzeile das Logo der Beklagten auf. Der Handelsvertreter war am 25.08.1993 zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung und am 11.01.1995 zu einer weiteren Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung, jeweils u.a. wegen Betrugs in mehreren Fällen, verurteilt worden. Die Beklagte hatte entgegen ihrer Einstellungspolitik in diesem Fall kein polizeiliches Führungszeugnis eingeholt. Nach dem Tod des Handelsvertreters konnten keine Gelder und Konten der Kläger festgestellt werden. LG und OLG hatten die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen.
Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das OLG zurück. Der III. Senat prüft zunächst deliktische Ansprüche und eine Zurechnung des Verhaltens des Handelsvertreters nach § 31 BGB. Bei Handelvertretern sei entscheidend, ob der Vertreter Abschlussvollmachten und Inkassobefugnisse besitze oder sonst eine herausgehobene Position als Führungskraft inne habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen; allein das Auftreten des Handelsvertreters unter der Bezeichnung der Gesellschaft, deren Produkte er vermittelt, begründe eine solche Stellung nicht.
Da die Kläger als potentielle Kunden zur Anbahnung geschäftlicher Kontakte aber das – aus ihrer Sicht – eingerichtete Geschäftslokal der Beklagten aufsuchten, sei insoweit zwischen den Parteien des Rechtstreits ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis entstanden. Die Beklagte hätte danach die vorvertragliche Pflicht gehabt, nur solche Handelsvertreter mit der Vermittlung von Anlageverträgen zu betrauen, von deren Zuverlässigkeit sie sich auf der Grundlage eines polizeilichen Führungszeugnisses überzeugt habe. Dass sich der Handelsvertreter im Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge als unbestraft bezeichnen durfte (§ 53 I Nr. 1 BZRG), hindere die Verletzung der Überwachungspflicht nicht, da die Tilgungsfristen gemäß §§ 45 ff BZRG noch nicht abgelaufen gewesen seien.
Im Ergebnis leht der BGH damit eine deliktische Repräsentantenhaftung des Organs einer Anlagegesellschaft ab, öffent dann allerdings wieder eine weitere Tür, indem er festhält, dass das Organ schuldhaft handelt, wenn es versäumt hat, sich durch ein polizeiliches Führungszeugnis über die Zuverlässigkeit des Handelsvertreters zu vergewissern. Ob diese Entscheidung für den Anleger einen Vorteil bedeutet, muss abgewartet werden. Jedenfalls ist zu erwarten, dass in den Fällen, in denen dies bislang nicht der Fall war, die Organe aufgrund der aktuellen Rechtsprechung ein Führungszeugnis von ihren Handelsvertretern nachträglich anfordern werden. Für den Nachweis einer fehlerhaften Anlageberatung hilft die Rechtsprechung indes nicht, da weiterhin die Beweislast beim Anleger liegt und nur in diesem Fall eine Zurechnung über § 278 BGB erfolgt.
BGH, Urteil vom 14.03.2013 – III ZR 296/11
(Quelle: Beck online)