Ein Anleger verkennt einen Beratungsfehler des Anlageberaters nicht grob fahrlässig, wenn er die im Zeichnungsschein enthaltenen pauschalen Hinweise auf eine «nicht mündelsichere Kapitalanlage» und im Anlageprospekt abgedruckte Risikohinweise nicht zum Anlass genommen hat, die mündlichen Empfehlungen und Informationen des Anlageberaters zu hinterfragen und auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden. Die 19 Jahre alte, erwerbslose Klägerin beteiligte sich 2004 nach Beratung und auf Empfehlung eines selbstständigen Finanzdienstleisters mit 50.000 Euro, die sie nach dem Tod ihrer Eltern geerbt hatte, an einem geschlossenen Leasingfonds, der als sogenannter «blind Pool» ausgestaltet und als Steuersparmodell insbesondere auf die Erzielung hoher steuerlicher Verlustzuweisungen ausgerichtet war. Die Kapitalanlage führte zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Die Klägerin hat Prozesskostenhilfe für eine im Jahr 2012 gegen den Finanzdienstleister erhobene Schadenersatzklage begehrt. Dieser habe ihr die Beteiligung als sichere Kapitalanlage empfohlen und auf Risiken nicht hingewiesen. Der Finanzdienstleister machte die Einrede der Verjährung mit Hinweis auf die im Jahr 2004 durchgeführte Beratung geltend. Der 34. Zivilsenat hat der Klägerin dennoch Prozesskostenhilfe bewilligt. Von einer Verjährung des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs sei nicht auszugehen. Denn dass die Klägerin die Hinweise im Zeichnungsschein nicht zum Anlass genommen habe, die von ihr behauptete Falschberatung des Finanzdienstleisters zu hinterfragen, rechtfertige nicht den Vorwurf einer den Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auslösenden grob fahrlässigen Unkenntnis, so das Gericht. So seien die pauschalen Hinweise im Zeichnungsschein schon für sich genommen inhaltlich wenig aussagekräftig und insgesamt nicht geeignet, einem durchschnittlichen Anleger, geschweige denn einem unerfahrenen Anleger wie der Klägerin, die Anlagerisiken verständlich vor Augen zu führen. Abgesehen davon habe es im Streitfall bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass ein Anleger im Allgemeinen auf das gesprochene Wort seines Beraters vertrauen dürfe, so das OLG weiter. Anderenfalls bliebe außer Acht, dass der Anleger bei seiner Anlageentscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder Vermittlers in Anspruch nehme und daher dessen Ratschlägen und Auskünften, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreite, besonderes Gewicht beimesse. In diesem Fall sei es auch nicht als grob fahrlässig anzusehen, wenn der Anleger bei gründlicher Lektüre des Zeichnungsscheins hätte erkennen können, dass die angeblich sichere Anlage wohlmöglich vom Berater ungenannte oder durch mündliche Erklärungen «verwässerte» Risiken in sich trage, er ein Studium des Zeichnungsscheins aber gerade im Vertrauen auf die Richtigkeit der Erklärungen des Beraters unterlässt. Nach summarischer Prüfung im Prozesskostenhilfeverfahren hat das OLG dem Prozesskostenhilfegesuch auch im Übrigen hinreichende Erfolgsaussichten zuerkannt. Nach dem Vorbringen der Klägerin spreche viel dafür, dass diese zum einen nicht ordnungsgemäß über die Risiken und Eigenschaften der streitgegenständlichen Kapitalanlage informiert und ihr zum anderen mit dem in Rede stehenden Fonds eine Geldanlage empfohlen worden sei, die weder zu ihren Anlagezielen und ihrem Anlagehorizont noch zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gepasst habe.
OLG Hamm, Beschluss vom 03.01.2013 – I-34 W 173/12 (Quelle: Beck online)