Bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern entsteht der gesetzliche Urlaubsanspruch auch dann, wenn ihr Arbeitsverhältnis wegen des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente ruht. Allerdings verfällt er 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 07.08.2012 entschieden. Die zeitliche Begrenzung hat es in Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG vorgenommen, nachdem der Europäische Gerichtshof in seiner «KHS/Schulte»-Entscheidung vom November 2011 einen gesetzlich oder tarifvertraglich vorgesehenen Verfall des Urlaubs 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres für zulässig erachtet hatte.

Die als schwerbehindert anerkannte Klägerin war vom 01.07.2001 bis zum 31.03.2009 als Angestellte in der Rehabilitationsklinik der Beklagten beschäftigt und erhielt eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt 2.737,64 Euro. Im Jahr 2004 erkrankte sie, bezog ab dem 20.12.2004 eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung und nahm bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihre Tätigkeit für die Beklagte nicht mehr auf. Nach dem TVöD, der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fand, ruht das Arbeitsverhältnis während des Bezugs einer Rente auf Zeit. Außerdem vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen tariflichen Zusatzurlaubs für jeden Kalendermonat des Ruhens um ein Zwölftel. Die Klägerin verlangte die Abgeltung von 149 Urlaubstagen aus den Jahren 2005 bis 2009 mit 18.841,05 Euro brutto.

Die Vorinstanzen gaben der Klage bezüglich der Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen statt. Sie verurteilten die Beklagte zur Zahlung von 13.403,70 Euro brutto und wiesen die Klage hinsichtlich der Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs ab. Dagegen legte die Beklagte Revision ein.

Die Revision der Arbeitgeberin hatte größtenteils Erfolg. Die Klägerin habe gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG nur Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und Zusatzurlaubs aus den Jahren 2008 und 2009 mit 3.919,95 Euro brutto. In den Jahren 2005 bis 2007 seien die nicht abdingbaren gesetzlichen Urlaubsansprüche trotz des Ruhens des Arbeitsverhältnisses zwar entstanden. Das BAG führt dazu aus, dass der Urlaubsanspruch nach § 1 BUrlG auch dann bestehe, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezogen hat und eine tarifliche Regelung bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis während des Bezugs dieser Rente auf Zeit ruht. Denn der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch stehe nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien.

Der Abgeltung der gesetzlichen Urlaubsansprüche aus den Jahren 2005 bis 2007 steht laut BAG jedoch entgegen, dass sie vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG mit Ablauf des 31.03. des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres verfallen seien. Bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern sei § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, wonach im Fall der Übertragung der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss, europarechtskonform so auszulegen, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfalle. Das BAG weist auf die geänderte EuGH-Rechtsprechung zum zeitlich unbegrenzten Ansammeln von Urlaubsansprüchen arbeitsunfähiger Arbeitnehmer hin. In seiner «KHS/Schulte»-Entscheidung vom November 2011 erachtete der EuGH einen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Verfall des Urlaubs 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres für zulässig.

Fazit:

Das BAG folgt damit der Rechtsprechung einiger Landesarbeitsgerichte , u.a. auch dem LAG Baden-Württemberg. Damit dürfte nunmehr Rechtsklarheit bezüglich dem Verfall von Ansprüchen auf Resturlaubsabgeltung bestehen, sofern dies den gesetzlichen Mindesturlaub betrifft.

BAG, Urteil vom 07.08.2012 – 9 AZR 353/10