Der dringende Verdacht, seinem Arbeitgeber durch bewusst unvollständige Informationen an die Presse einen gravierenden Imageschaden zugefügt zu haben, ist auch nach langer Betriebszugehörigkeit (hier: mehr als 23 Jahre) und ohne Abmahnung geeignet, eine fristlose Kündigung zu begründen.

Die Klägerin ist seit über 23 Jahren Rathausmitarbeiterin; sie ist zugleich Personalratsmitglied. Wegen des Verdachts, die eigene Personalakte gefälscht zu haben, wurde ihr bereits fristlos gekündigt. Ihre Kündigungsschutzklage war erfolgreich. Im Strafprozess ist sie dagegen rechtskräftig wegen Urkundenfälschung verurteilt worden.

Während des Rechtsstreits erstritt die Frau – im Einstweiligen Rechtsschutzverfahren – den Zugang zum Rathaus, um zumindest ihrer Personalratstätigkeit nachgehen zu können. Zu dieser Zeit fand auch ein Weihnachtsmarkt statt. Der dort verkaufte Glühwein wurde in Tassen ausgereicht. Die Reinigung der Tassen fand in einer Großküchengeschirrspülmaschine statt, die in einem abgetrennten Vorraum der Behindertentoilette des Rathauses stand.

Die Klägerin verschickte u a. an den Stadtrat eine, von ihr als Personalratsvorsitzende unterschriebene, Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Oberbürgermeister der Beklagten. Dieser war ein Schreiben mit folgendem Inhalt beigefügt:

„Geschmackssache

Sollte Ihnen der Glühwein auf dem städt. Weihnachtsmarkt besonders gut gemundet haben, liegt es vielleicht daran, dass die Glühweintassen in der Behindertentoilette des Rathauses gespült worden sind….“

Nachdem auch die Lokalredaktion der Freien Presse dieses Schreiben erhielt, sprach die Beklagte eine fristlose Verdachtskündigung aus wichtigem Grund aus.

Die fristlose Kündigung ist wirksam, entschied das Sächsische LAG.

Im vorliegenden Fall konnte der Klägerin zwar nicht ordentlich gekündigt werden, da sie zu dem nach § 15 Abs. 2 KSchG geschützten Personenkreis gehörte. Indes ist aber entscheidend, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der – fiktiven – Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das haben die Richter vorliegend bejaht.

Denn es besteht, so die Richter, der dringende Verdacht, dass die Klägerin das Schreiben der Freien Presse zugespielt hat. Dabei ging es ihr offensichtlich nicht um das Aufdecken von vermeintlichen Missständen, sondern allein darum, die Beklagte und deren Repräsentanten in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen bzw. diesen einen gravierenden Imageschaden zuzufügen.

Das Schreiben stellt den tatsächlichen Sachverhalt, wenn nicht falsch, so zumindest unvollständig und somit verzerrt dar. Grund für die Zusendung war für die Klägerin daher nach alledem kein wie auch immer geartetes Aufklärungsinteresse, was bereits daraus folgt, dass die Klägerin unter gröblichem Verstoß gegen § 241 Abs. 2 BGB vor der Einschaltung der Presse keinen Versuch einer innerbetrieblichen Bereinigung des angeblichen Missstandes unternommen hat.

Bei der Interessenabwägung schlägt zugunsten der Frau die lange Betriebszugehörigkeit sehr hoch zu Buche. Allerdings ist das Arbeitsverhältnis in dieser Zeit alles andere als störungsfrei verlaufen. Der von der Klägerin im Laufe ihrer langen Betriebszugehörigkeit erarbeitete Vorrat an Vertrauen wurde bereits durch den Verdacht, dass diese ihre eigene Personalakte gefälscht hat, aufgezehrt.

Sächs. LAG, Urteil vom 10.01.2013, Aktenzeichen: 9 Sa 253/12

(Quelle: Sächs. LAG-online)