Die Nachwirkung eines Tarifvertrages können die Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag ausdrücklich oder auch konkludent ausschließen.

Der in der IG Metall organisierte Kläger streitet mit dem beklagten Arbeitgeber um die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und damit verbunden um die Höhe seiner Vergütung.

Die Beklagte war Mitglied eines tarifschließenden Arbeitgeberverbandes bis zum 31.12.2001 und ab dem 01.01.2005 sog. OT-Mitglied desselben Arbeitgeberverbandes. Der Arbeitgeberverband und die Beklagte selbst schlossen mit der IG Metall am 27.09.2005 einen Tarifvertrag, der für die Betriebe der Beklagten die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich erhöhte. Der Tarifvertrag enthielt einen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum 31.12.2007. In den Schlussbestimmungen formulierten die Tarifvertragsparteien, dass die Laufzeit dieser Vereinbarung am 31.12.2008 ende und die Parteien verpflichteten sich, spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2008 Gespräche über eine Nachfolgeregelung aufzunehmen.

Die Beklagte hielt die Forderung des Klägers für unbegründet, weil der für ihr Unternehmen geschlossene Haustarifvertrag über den 31.12.2008 hinaus nachwirke. Anders als die Vereinbarung zum Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen sei im Tarifvertrag die Regelung zur wöchentlichen Arbeitszeit nicht befristet. Das ArbG hatte die Klage abgewiesen, das LAG hatte ihr stattgegeben.

Der 4. Senat wies die Revision der Beklagten zurück. Der Kläger könne seine Forderungen auf die Verbandstarifverträge stützen, die aufgrund der früheren Verbandsmitgliedschaft der Beklagten gem. § 4 V TVG im Zustand der Nachwirkung anzuwenden seien. Dieses Verbandstarifvertragswerk sei nur vorübergehend durch den Haustarif und unternehmensbezogenen Verbandstarif für die Beklagte verdrängt worden. Nach dem Ende dieses Tarifvertrages am 31.12.2008 seien wieder die Bestimmungen des Flächentarifvertrages anzuwenden gewesen. Der Tarifvertrag enthielt zwar keinen ausdrücklichen Ausschluss der Nachwirkung. Der Senat erkannte im Tarifvertragstext jedoch einen die Nachwirkung ausschließenden Regelungswillen und bewertete die Regelungsgegenstände des Tarifvertrages als Bestandteile eines Tauschgeschäftes, in dem der Arbeitgeber einen zweijährigen Verzicht auf den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen gegeben habe, um eine dreijährige Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich zu erzielen. Wäre die Regelung zur Arbeitszeiterhöhung nicht befristet, erhielte der Arbeitgeber die Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich nach Ablauf des Tarifvertrages ohne „Gegenleistung“. Es könne nicht angenommen werden, dass dies gewollt sei. Auch die Schlussbestimmungen deuteten darauf hin, dass die Parteien nicht von einer gesetzlichen Nachwirkung ausgegangen seien. Die Vereinbarung einer frühzeitigen Verhandlungspflicht, die vor dem Ablauf des Tarifvertrages einsetzen sollte, ziele darauf ab, eine Nachfolgeregelung zu schaffen, bevor die auslaufende Regelung entfiele. Den Einwand der Beklagten, dass hier tariferfahrene Tarifvertragsparteien gehandelt hätten und den Ausschluss der Nachwirkung hätten vereinbaren müssen und können, wenn sie dies gewollt hätten, ließ der Senat nicht gelten. Hierzu gäbe es keine Erfahrungssätze.

BAG, Urteil vom 16.05.2012 – 4 AZR 366/10

(Quelle: beck-fachdienst Arbeitsrecht – FD-ArbR 2012, 338208)