Die gesetzliche Regelung zur Verständigung im Strafprozess ist derzeit verfassungskonform. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 19.03.2013 auf drei Verfassungsbeschwerden hin entschieden. Allerdings moniert das BVerfG die Praxis informeller Absprachen und stellt insoweit ein erhebliches Defizit beim Vollzug der Verständigungsregelungen fest. Der Gesetzgeber müsse daher die weitere Entwicklung sorgfältig beobachten und erforderlichenfalls eingreifen.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen ihre strafgerichtliche Verurteilung im Anschluss an eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten. Die Verfahrensabsprachen kamen auf Anregung der Gerichte zustande, die den Beschwerdeführern für den Fall eines Geständnisses jeweils eine bestimmte Strafobergrenze in Aussicht gestellt hatten. Die Beschwerdeführer stimmten der Absprache zu und räumten die angeklagten Vorwürfe – teilweise jedoch nur pauschal und unter Verweigerung weiterer Angaben – ein. Die Gerichte sprachen dann Freiheitsstrafen in Höhe der zugesagten Obergrenzen aus. In den Verfahren 2 BvR 2628/10 und 2 BvR 2883/10 richten sich die Verfassungsbeschwerden zudem gegen die Vorschrift des § 257c StPO, die durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.07.2009 (Verständigungsgesetz) eingefügt worden ist.

Das BVerfG hält Verfahrensabsprachen im Rahmen der gesetzlichen Regelung für zulässig. Das Verständigungsgesetz sichere die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben in ausreichender Weise. Danach seien informelle Absprachen und «Gesamtlösungen» unzulässig, die Verständigung auf den Gegenstand der Hauptverhandlung beschränkt und Absprachen transparent zu machen und zu dokumentieren. Außerdem sei der Angeklagte darüber zu belehren ist, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen das Gericht von dem in Aussicht gestellten Ergebnis abweichen könne.

Zwar stellt das BVerfG ein erhebliches Defizit beim Vollzug des Verständigungsgesetzes fest. Dieses führe aber derzeit nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung. Verfassungswidrig wäre das gesetzliche Regelungskonzept laut BVerfG nur, wenn das Vollzugsdefizit durch die Struktur der Norm determiniert wäre. Weder das Ergebnis der empirischen Erhebung noch die in den Verfassungsbeschwerdeverfahren abgegebenen Stellungnahmen zwängen zu der Annahme, dass es strukturelle Mängel des gesetzlichen Regelungskonzepts seien, die zu dem bisherigen Vollzugsdefizit geführt haben. Die Gründe hierfür seien vielschichtig. Als Hauptgrund werde in der empirischen Untersuchung eine «fehlende Praxistauglichkeit» der Vorschriften genannt. Dies spreche für ein bisher nur unzureichend ausgeprägtes Bewusstsein, dass es Verständigungen ohne die Einhaltung der Anforderungen des Verständigungsgesetzes nicht geben dürfe.

Das BVerfG fordert vom Gesetzgeber aber, die weitere Entwicklung sorgfältig im Auge zu behalten. Sollte sich die gerichtliche Praxis weiterhin in erheblichem Umfang über die gesetzlichen Regelungen hinwegsetzen und das Verständigungsgesetz nicht ausreichen, um das festgestellte Vollzugsdefizit zu beseitigen, müsse er der Fehlentwicklung durch geeignete Maßnahmen entgegenwirken. Unterbliebe dies, träte ein verfassungswidriger Zustand ein.

Die von den Beschwerdeführern angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen hat das BVerfG allerdings wegen Verfassungsverstößen aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Die Beschwerdeführern der Verfahren 2 BvR 2628/10 und 2 BvR 2883/10 seien in ihrem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und ihrem Recht auf Selbstbelastungsfreiheit verletzt worden. Eine Verständigung sei regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden sei. Fließe das unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht abgegebene Geständnis in das Urteil ein, beruhe dieses auf der Grundrechtsverletzung, es sei denn eine Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis könne ausgeschlossen werden, weil der Angeklagte dieses auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte. Hierzu müssten vom Revisionsgericht konkrete Feststellungen getroffen werden.

Die im Verfahren 2 BvR 2155/11 angegriffene landgerichtliche Entscheidung verstoße schon deshalb gegen den verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz, weil das Landgericht den Beschwerdeführer im Wesentlichen auf Grundlage eines ungeprüften Formalgeständnisses verurteilt habe. Darüber hinaus beruhe das Urteil auf einer Verständigung, die unzulässig über den Schuldspruch disponiert habe. In diesem Fall sei auch die Grenze zu einer verfassungswidrigen Beeinträchtigung der Selbstbelastungsfreiheit deutlich überschritten. Das LG habe eine – schon für sich gesehen übermäßige – Differenz zwischen den beiden Strafgrenzen noch zusätzlich mit der Zusage einer Strafaussetzung zur Bewährung verbunden, die überhaupt nur aufgrund der Strafrahmenverschiebung zu einem minder schweren Fall möglich gewesen sei.