Das Widerrufsrecht gemäß § 8 Abs. 4 VVG a. F. erlischt nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung analog § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 4 HTWG. Für einen Widerruf bestehe kein Anlass mehr, wenn der Lebensversicherungsvertrag durch einen «lückenlosen» Leistungsaustausch zwischen den Parteien abgewickelt worden ist.
Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrags. Dessen Abschluss hatte er bei der Beklagten im März 1993 mit Wirkung ab April 1993 beantragt. Auf der zweiten Seite des vom Kläger unterzeichneten Antragsformulars ist am Ende eines Absatzes mit Hinweisen zu verschiedenen Punkten eine Widerrufsbelehrung abgedruckt. Zwischen diesem Absatz und der Unterschriftszeile befindet sich ein weiterer Absatz mit anderen Informationen. Beide Absätze sind im Antragsformular nicht durch die Schriftgröße, aber insgesamt durch Fettdruck hervorgehoben.
Nachdem der Kläger ab Vertragsbeginn sieben Jahre lang die monatlichen Prämien gezahlt hatte, kündigte er im Februar 2000 die Lebensversicherung, woraufhin die Beklagte 3.240,17 DM als Rückkaufwert auszahlte. Zehn Jahre später ließ der Kläger durch anwaltliches Schreiben vom 15.02.2010 erklären, dass «dem Vertragsabschluss … gemäß § 5a VVG a. F. widersprochen» werde, und die Rückzahlung aller geleisteten Prämien zuzüglich Anlagezinsen abzüglich des ausgezahlten Rückkaufswertes gefordert werde.
Der Kläger meint, in dem Widerspruch liege ein wirksamer Widerruf nach § 8 Abs. 4 VVG in der vom 01.01.1991 bis zum 28.07.1994 gültigen Fassung. Die Belehrung im Antragsformular sei nicht ausreichend, da nicht gewährleistet sei, dass der Antragsteller hiervon Kenntnis genommen habe. Daher habe die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist vom OLG zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, der auf Widerruf seiner Vertragserklärung gestützte Bereicherungsansprüche weiter verfolgt.
Zu Recht sei das Berufungsgericht von der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 4 VVG a. F. ausgegangen, so der BGH. Die Widerrufsfrist von zehn Tagen ab Unterzeichnung des Versicherungsantrags sei noch nicht abgelaufen, da der Kläger nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 8 Satz 4 VVG a. F. belehrt worden sei. Die Widerrufsfrist beginne erst mit einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Belehrung über das Widerrufsrecht. Eine gesetzlich angeordnete Belehrung müsse inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein. Eine Erklärung müsse darauf angelegt sein, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das Wissen, um das es geht, zu vermitteln.
Die Form der Belehrung im hiesigen Antragsformular genügt nach Auffassung des BGH diesen Anforderungen nicht. Die Belehrung sei am Ende eines längeren Absatzes abgedruckt, der auch weitere Informationen enthält. Innerhalb dieses Absatzes sei der Hinweis auf das Widerrufsrecht nicht hervorgehoben, vielmehr sei der Absatz insgesamt fettgedruckt. Der Hinweis stehe auch nicht unmittelbar über der Unterschrift des Versicherungsnehmers, sondern ihm folge noch ein weiterer, ebenfalls fettgedruckter Absatz mit Hinweisen auf die auf der Rückseite abgedruckten Erklärungen und Informationen zu den einzelnen Versicherungsarten. Weder der Fettdruck noch die Stellung der Belehrung im Antragsformular reichen nach Ansicht des BGH aus, um eine Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers hiervon zu gewährleisten.
Mangels ordnungsgemäßer Belehrung habe der Lauf der Widerrufsfrist nicht mit Antragsunterzeichnung begonnen, sondern erst mit Aushändigung einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Belehrung (§ 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG). Bei Fehlen der Belehrung erlösche das Widerrufsrecht erst nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung, spätestens jedoch ein Jahr nach Abgabe der auf den Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers, so § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG.
Ob auch in Fällen des § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a. F. der Beginn der Widerrufsfrist von einer Belehrung abhängt, wird unterschiedlich beurteilt. Nach Ansicht des BGH ist dies wohl der Fall. Das in § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a. F. eingeräumte Recht, den Vertrag binnen einer Frist von zehn Tagen nach Unterzeichnung des Versicherungsantrags zu widerrufen, lasse sich nur realisieren, wenn der Versicherungsnehmer hiervon auch Kenntnis erlangt oder zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Das Widerrufsrecht sei jedoch nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung im Jahr 2000 erloschen. Das Erlöschen des Widerrufsrechts des Klägers folge aus einer entsprechenden Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 4 HTWG. Die Regelungen beruhen auf der Überlegung, dass für einen Widerruf deshalb kein Anlass mehr besteht, weil das Schuldverhältnis durch einen «lückenlosen» Leistungsaustausch zwischen den Parteien abgewickelt worden ist.
BGH, Urteil vom 16.10.2013 – IV ZR 52/12
(Quelle: beck online)