Auf die Bundesbürger kommen zum Jahreswechsel wieder zahlreiche gesetzliche Änderungen zu: Die Praxisgebühr fällt weg, der Rentenbeitrag sinkt auf den niedrigsten Stand seit 18 Jahren und für Hartz-IV-Empfänger gibt es mehr Geld. Wir geben Ihnen einen ersten Überblick, da um einige Neuregelungen noch gerungen wird. Mit Entscheidungen ist teils erst im Lauf des Dezembers 2012 zu rechnen.
Mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger
Die rund sechs Millionen Empfänger von Hartz-IV-Leistungen bekommen monatlich fünf bis acht Euro mehr. Der Regelsatz für einen Single steigt von 374 auf 382 Euro. Das ist ein Plus von 2,1%. Beim Start von Hartz IV im Jahr 2005 gab es 345 Euro. Der Satz für Partner erhöht sich um acht auf 345 Euro, für Kinder bis sechs Jahre auf 224 Euro (plus 5 Euro), für Kinder von 7 bis 14 Jahren um 6 auf 255 Euro und für Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren um ebenfalls 6 auf 289 Euro.
Beitragssatz zur Rentenversicherung sinkt
Der Beitragssatz zur Rentenversicherung sinkt von 19,6% auf 18,9%. Das ist der niedrigste Stand seit 1995. Damit werden Arbeitnehmer und Arbeitgeber um jeweils mehr als drei Milliarden Euro jährlich entlastet. Ein Durchschnittsverdiener mit 2.600 Euro brutto im Monat zahlt damit etwa neun Euro weniger als bisher in die Rentenkasse ein. Der Beitragssatz wird gesenkt, wenn – wie jetzt zum Jahresende – die Rücklagen der Rentenkasse über die Marke von anderthalb Monatsausgaben steigen.
Renten-Regelaltersgrenze wird angehoben
Auf dem Weg zur Rente mit 67 erreicht die schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze die zweite Stufe: Neu-Rentner des Geburtsjahrgangs 1948 müssen 2013 für eine abschlagfreie Rente zwei Monate über ihren 65. Geburtstag hinaus arbeiten. Im Jahr 2029 ist dann der Prozess beendet, die Rente mit 67 erreicht.
Keine Praxisgebühr mehr
Die Zehn-Euro-Gebühr für Arztbesuche pro Quartal fällt weg. Die Erwartung, die Gebühr könne die Zahl der Arztbesuche reduzieren, erfüllte sich nicht. Den Krankenkassen soll der Ausfall von knapp zwei Milliarden Euro im Jahr durch Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds ausgeglichen werden.
Beitragssatz zur Pflegeversicherung steigt
Der Beitragssatz steigt zum 01.01.2013 von 1,95% auf 2,05%, bei Kinderlosen auf 2,3%. Das bringt Mehreinnahmen von 1,1 bis 1,2 Milliarden Euro im Jahr. Menschen mit Demenz oder geistiger Behinderung, die von Angehörigen zu Hause betreut werden und in keiner Pflegestufe sind, können im Gegenzug außer den heute möglichen maximal 200 Euro für Betreuung nun Pflegegeld von 120 Euro oder Sachleistungen von bis zu 225 Euro bekommen. Auch in Stufe I und II gibt es Erhöhungen. Für Wohnformen zwischen ambulant und stationär gibt es je Bedürftigen 200 Euro zusätzlich. Bei Gründung einer Pflege-WG gibt es zeitlich befristet eine Förderung von Umbauten von 2.500 Euro pro Person – maximal 10.000 Euro. Der Abschluss privater Zusatzversicherungen für den Pflegefall wird steuerlich gefördert.
Abgabesatz für Künstlersozialversicherung steigt
Das soziale Netz für 175.000 Kunstschaffende und Publizisten wird teurer. Der Abgabesatz erhöht sich von 3,9% auf 4,1%. Die Abgabe müssen Unternehmen auf die Honorare an freischaffende Künstler und Publizisten bezahlen. Die Zahl der dafür erfassten Verwerter beträgt rund 150.000. Bis Ende 2009 lag der Abgabesatz bei 4,4%, sank danach auf 3,9%.
Mehr Geld für Zeit- und Leiharbeiter in Holz- und Kunststoffverarbeitung
In der Holz- und Kunststoffverarbeitenden Industrie bringen neu vereinbarte Branchenzuschläge Zeit- und Leiharbeitern mehr Geld. Die Zuschläge gleichen nach Angaben des Branchenverbandes IGZ in fünf Stufen und binnen neun Monaten die bisherige Tariflücke zwischen der Zeitarbeit und den Stammbelegschaften nahezu aus. Die Staffel beginnt nach der 6. vollendeten Einsatzwoche mit einem Zuschlag von 7%. In der höchsten Stufe nach neun Monaten beträgt der Zuschlag 31%.
Freie Fahrt für Fernbusse
Als neue Konkurrenz zu Zügen, Autos und Billigfliegern bekommen innerdeutsche Fernlinienbusse freie Fahrt. Mit Rücksicht auf den vom Steuerzahler subventionierten Öffentlichen Nahverkehr dürfen die Fernbusse aber nur Haltepunkte im Abstand von mindestens 50 Kilometern anfahren.
Unisex-Versicherungstarife kommen
Bereits vor dem Jahreswechsel – am 21.12.2012 – treten in allen Versicherungsbranchen die sogenannten Unisex-Tarife in Kraft. Sie machen Schluss mit der vom Europäischen Gerichtshof beanstandeten Geschlechterdiskriminierung. Teurer wird es dadurch für Männer im Bereich der Alters- und Berufsunfähigkeitsvorsorge – und für Frauen bei Risikoversicherungen. Diese haben die Versicherungen bisher nach Geschlecht differenziert. Mit den Unisex-Tarifen zahlen Männer und Frauen künftig für die gleiche Versicherung den gleichen Preis.
Grundfreibetrag wird angehoben
Auf die Bundesbürger kommen auch zahlreiche steuerliche Änderungen zu. Über einige Neuregelungen müssen sich Bund und Länder aber erst noch einigen. Klarheit wird für Mitte Dezember 2012 erwartet. Teils wird auch erst Anfang 2013 entschieden. Der steuerliche Grundfreibetrag soll 2013 nach den Koalitionsplänen um 126 auf dann 8.130 Euro im Jahr steigen. Das ist etwas mehr, als nach dem neuen Existenzminimumbericht verfassungsrechtlich nötig wäre (8.124 Euro im Jahr). Schwarz-Gelb will zudem den weiteren Tarifverlauf ändern und so das Problem der «kalten Progression» mildern. Ein verfassungsrechtlich höherer Grundfreibetrag gilt als wahrscheinlich, der Rest bleibt strittig.
Steuerrechtliche Änderungen
Firmen müssen Rechnungen und Belege nicht mehr für Steuerzwecke zehn Jahre aufbewahren. Von 2013 an gilt eine Aufbewahrungsfrist von acht Jahren und ab 2015 von dauerhaft sieben Jahren. Als Vereinfachung für Arbeitnehmer erlaubt die Finanzverwaltung auf Antrag, Lohnsteuer-Freibeträge künftig (spätestens ab Kalenderjahr 2015) auf zwei Kalenderjahre zu verlängern. Ein jährlicher Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung beim Finanzamt kann damit entfallen. Reine Elektrofahrzeuge einschließlich Brennstoffzellenfahrzeugen mit Erstzulassung vom 18.05.2011 bis 31.12.2015 werden für zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit. Weitere Steueranreize gibt es für Elektroautos als Dienstwagen. Diese Punkte sind Teil des noch nicht endgültig beschlossenen Jahressteuergesetzes 2013.
Grundwehrsold und Taschengeld für Bundesfreiwilligendienst steuerfrei
Der Grundwehrsold beim freiwilligen Wehrdienst und das Taschengeld für den Bundesfreiwilligendienst bleiben steuerfrei. Steuerpflichtig werden bei Dienstverhältnissen ab 01.01.2013 unter anderem der Wehrdienstzuschlag, besondere Zuwendungen sowie unentgeltliche Unterkunft und Verpflegung. Erstmals steuerfrei gestellt sind Geldbezüge bei anderen Diensten, für die es auch Kindergeld gibt (zum Beispiel freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr). Auch diese Regelung ist Teil des Jahressteuergesetzes.
Steuerabkommen mit der Schweiz auf der Kippe
Sollte das Steuerabkommen mit der Schweiz wider Erwarten doch noch zum 01.01.2013 in Kraft treten, soll auf das bei Schweizer Banken liegende Schwarzgeld deutscher Anleger einmalig eine Pauschalsteuer zwischen 21% und 41% auf das Kapitalvermögen (nicht die Erträge) an den deutschen Fiskus überwiesen werden – anonym und rückwirkend für zehn Jahre. Künftige Kapitalerträge sollen ab 2013 genauso besteuert werden wie in Deutschland. Auch für Erbschaften gibt es eine Lösung: Erhebung in Höhe von 50% oder namentliche Meldung. Eine Einigung im Vermittlungsausschuss ist derzeit aber nicht in Sicht.
Stärkere Begünstigung von Übungsleitertätigkeiten
Nebenberufliche Tätigkeiten wie die Arbeit als Trainer, Ausbilder oder Betreuer sollen künftig stärker begünstigt werden. Die steuerfreie Übungsleiterpauschale steigt von derzeit 2.100 auf 2.400 Euro. Zudem soll die «Ehrenamtspauschale» um 220 auf 720 Euro steigen. Die Änderungen werden voraussichtlich erst Anfang 2013 beschlossen, sollen aber rückwirkend zum 01.01.2013 in Kraft treten.
Bessere Förderung der privaten Altersvorsorge
Das steuerliche Abzugsvolumen für eine Basisversorgung im Alter und damit die Fördergrenze soll von 20.000 Euro auf 24.000 Euro angehoben werden. Riester-Spargelder sollen im Fall einer Privatinsolvenz besser geschützt sein. Auch die steuerlich begünstigte Absicherung von Berufs- und Erwerbsunfähigkeit soll verbessert werden, ebenso der Erwerbsminderungsschutz. Die Pläne werden voraussichtlich erst Anfang 2013 beschlossen.
Elektronische Lohnsteuerkarte kommt
Sie wurde bereits zweimal verschoben. Auch jetzt kommt sie nicht wie zuletzt geplant zum Januar 2013, sondern etappenweise. Arbeitgeber haben das gesamte Jahr 2013 Zeit, die Lohnabrechnung auf das neue Verfahren umzustellen.
Gesetzliche Rentenbeiträge besser absetzbar
Arbeitnehmer können etwas mehr von den gesetzlichen Rentenbeiträgen steuerlich absetzen – statt bisher 48% des Arbeitnehmeranteils nun 52%. Die Beträge sind in den Vorsorgepauschalen nach Angaben des Neuen Verbandes der Lohnsteuerhilfevereine (NVL) bei der Lohnsteuerberechnung schon eingearbeitet.
Elterngeld wird anders berechnet
Das Elterngeld für Kinder, die ab 2013 geboren werden, wird anders berechnet. Nach NVL-Einschätzung führt die Neuregelung dazu, dass viele Arbeitnehmer die Berechnung des Elterngeldes nicht mehr selbst vornehmen können und auch weniger Elterngeld erhalten. Zur Vermeidung von Nachteilen sollten sich werdende Eltern vor allem bei der Wahl der Steuerklasse frühzeitig beraten lassen.