Eine Bankkauffrau, die ein privates Wertpapierdepot bei einer Direktbank unterhält, kann von der Direktbank keinen Schadenersatz für inzwischen wertlose «Cobold-Anleihen» verlangen, weil die Direktbank sie bei der Anlageentscheidung nicht beraten hat. Dies gilt nach einem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 05.11.2012 zumindest dann, wenn die Kundin die Bank zuvor gezielt mit dem Erwerb der betreffenden Anleihen beauftragt hatte (Az.: 5 U 10/12).
Eine gelernte Bankkauffrau eröffnete im Jahr 2003 ein Wertpapierdepot bei der beklagten Direktbank mit Sitz in Schleswig-Holstein. In dem Depoteröffnungsantrag heißt es, dass die Bank Wertpapieraufträge ihrer Kunden lediglich ausführt («execution only») und keine Anlageberatung anbietet. Sofern die Bank dem Kunden Informationen zur Verfügung stelle, solle dies dem Kunden lediglich die selbstständige Anlageentscheidung erleichtern.
Im Jahr 2006 erteilte die Klägerin der beklagten Bank über das Internet den Auftrag zum Erwerb einer sogenannten Cobold 62-Anleihe (im Wege des Online-Brokering), herausgegeben von der DZ Bank AG im Nennwert von 11.000 Euro mit einer Verzinsung von 3,2% pro Jahr. Nach der Konzeption der Anleihe erhält der Anleger die Verzinsung und am Ende der Laufzeit den Nominalwert der Anleihe zurückerstattet, sofern bei keinem der zugrundeliegenden Unternehmen ein sogenanntes «Kreditereignis» eintritt, beispielsweise die Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens. Die Cobold 62-Anleihe war an die Wertigkeit von Unternehmensanleihen fünf weiterer Großbanken geknüpft, unter anderem die Lehman Brothers. Wenn eine der Großbanken ihre Anleiheschulden nicht bezahlte, hatte die DZ Bank das Recht, die Cobold-Anleihe gegen die Anleihe des zahlungsunfähigen Unternehmens auszutauschen.
Nach der Insolvenz der Lehmann Brothers im Herbst 2008 erhielt die Klägerin von der DZ Bank AG anstelle der Rückzahlung des eingezahlten Betrags Anleihen der Lehmann Brothers Inc. in einem Wert von nur 831 Euro. Die Klägerin verlangte daraufhin Schadenersatz von der Direktbank unter anderem mit der Begründung, es sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass die Rückzahlung der Anleihe nicht nur von der Bonität der DZ Bank abhänge, sondern zusätzlich von der Bonität der fünf Großbanken.
Das OLG Schleswig-Holstein verneint einen Schadenersatzanspruch der Klägerin. Zwischen ihr und der Direktbank sei kein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Trete ein Kunde mit gezielten Aufträgen zum Erwerb bestimmter Wertpapiere an die Bank heran, so dürfe die Bank im Allgemeinen davon ausgehen, dass eine besondere Beratung weder gewünscht noch erforderlich ist. Durch ihren online im Internet erteilten Kaufauftrag habe die Klägerin zum Ausdruck gebracht, dass sie keine Informationen über das Produkt mehr benötige. Bei Eröffnung des Wertpapierdepots sei sie ausdrücklich darüber informiert worden, dass es neben den klassischen Anleihen auch Varianten «synthetischer» Anleihen gebe, die im Ergebnis zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen könnten und dass man deshalb vorher zum Beispiel den Verkaufsprospekt genau studieren sollte. Die Einholung solcher Informationen habe die Klägerin jedoch unterlassen.
Die Anlage habe auch in das Anleger- und Risikoprofil der Klägerin gepasst. Bei Depoteröffnung habe sie sich als gelernte Bankkauffrau in die Kenntnisstufe «C» von insgesamt sechs Kenntnisstufen («A» bis «F») eingeordnet. Zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung habe nur ein theoretisches Ausfallrisiko bestanden, weil ausnahmslos international renommierte Bankhäuser als Referenzunternehmen aufgeführt gewesen seien.
OLG Schleswig, Urteil vom 05.11.2012 – 5 U 10/12
(Quelle: Beck online)