Ein Absehen vom gesetzlichen Regelfahrverbot nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG kommt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Bamberg unbeschadet der Gültigkeit des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes nur in Härtefällen ganz außergewöhnlichen Art in Betracht oder wenn wegen besonderer Umstände das Tatgeschehen ausnahmsweise aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG derart herausfällt, dass die Verhängung des Regelfahrverbots als offensichtlich unpassend anzusehen wäre. Eine solche Ausnahme kann nicht damit begründet werden, dass die in § 24a Abs. 1 StVG genannten Grenzwerte für die bußgeldbewehrte Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration nur geringfügig überschritten wurden.
Der Betroffene, ein selbstständiger Messebauer ohne angestellte Mitarbeiter, war mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l gemäß § 24a Abs. 1 StVG erstinstanzlich zu einer Geldbuße von 1.000 EUR verurteilt worden. Im Bußgeldbescheid hatte er noch eine Geldbuße von lediglich 500 EUR, dafür aber ein Fahrverbot von einem Monat mit der Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG erhalten. Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde ein und rügte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hatte – vorläufigen – Erfolg. Im Rechtsfolgenausspruch wurde die amtsgerichtliche Verurteilung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Der Senat weist darauf hin, dass das Gericht den Grundsatz nicht verkannt habe, dass «ausnahmsweise» vom Regelfahrverbot abgesehen werden könne. Allerdings könne dabei nicht berücksichtigt werden, dass die Atemalkoholkonzentration nur ganz geringfügig über dem Grenzwert gelegen habe. Dies allein rechtfertige noch keine Ausnahme.
Vielmehr komme es auf die persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Folgen des Fahrverbots an. Damit habe sich das Amtsgericht auch auseinandergesetzt, jedoch hätte es die Angaben des Betroffenen laut OLG nicht ungeprüft übernehmen können. Ein solcher Vortrag müsse vom Tatrichter kritisch hinterfragt werden. Nur so sei, sollte der Ausnahmefall im Urteil begründet werde, das Rechtsmittelgericht in der Lage, die Rechtsanwendung nachzuprüfen. Dass das Gericht davon spreche, dass «nach dem persönlichen Eindruck» der Betroffene glaubwürdig erscheine, müsse näher ausgeführt werden. Auch dass der Betroffene nach eigenen Angaben aus finanziellen Gründen keinen längeren Urlaub nehmen könne müsse hinterfragt werden. Es müssten konkrete Unterlagen vorgelegt und vom Gericht geprüft werden. Gegebenenfalls sei die Zeugeneinvernahme eines betrieblichen Steuerberaters notwendig oder es müssten vergleichbare Unterlagen im Wege des Urkundenbeweises beigezogen werden. Es müsse besonders geprüft werden, wie stark der Betroffene unter einem Fahrverbot wirtschaftlich zu leiden habe, da er als weitere Möglichkeit auch einen Vollstreckungsaufschub von vier Monaten in Anspruch nehmen könne.
OLG Bamberg, Beschluss vom 29.10.2012 – 3 Ss OWi 1374/12
(Quelle: beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht – FD-StrVR 2012, 340666)