Es gibt jedenfalls derzeit kein allgemeines Verkehrsbewusstsein, dass das Tragen von Motorradschuhen zum eigenen Schutz eines Motorradfahrers erforderlich ist. Daher ist ein Mitverschulden eines verletzten Motorradfahrers, der im Unfallzeitpunkt Sportschuhe trug, aus diesem Grunde zu verneinen. Dies hat das Oberlandesgericht Nürnberg entschieden.
Der motorradfahrende Kläger fuhr innerorts auf einer Straße. Am rechten Fahrbahnrand quer zur Fahrtrichtung mit dem Heck zur Fahrbahn waren Fahrzeuge geparkt waren. Aus dieser Reihe fuhr der Beklagte rückwärts heraus. Seine Sicht war durch ein rechts neben ihm geparktes größeres Fahrzeug eingeschränkt. Er sah daher den Kläger nicht und traf mit der hinteren Stoßstange dessen Motorrad an der rechten vorderen Seite, wodurch sich ein Knick mit scharfer Kante an der Stoßstange ergab, in die der rechte Fuß des Klägers geriet. Der Kläger verletzte sich dabei schwer.
Bei dem Unfall trug er Motorradhelm, Motorradjacke, Motorradhandschuhe, eine Arbeitshose und Sportschuhe. Er begehrt Schmerzensgeld, weitere materielle Ansprüche und die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm weitere materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen.
Das Landgericht hatte ein Grund- und Teilurteil erlassen und die Ansprüche des Klägers zu 100% für gerechtfertigt erklärt. Dagegen legen die Beklagten Berufung ein. Sie tragen insbesondere vor, dass den Kläger ein Mitverschulden treffe, weil er nicht mit «geeigneten» Schuhen unterwegs gewesen sei. Hätte er Motorradschuhe getragen, so wären die schweren Verletzungen vermieden worden. Die Ansprüche des Klägers seien daher um mindestens 50% zu kürzen.
Der Berufungssenat hat die Berufung im Beschlussweg zurückgewiesen. Es gebe jedenfalls derzeit kein allgemeines Verkehrsbewusstsein, dass das Tragen von Motorradschuhen zum eigenen Schutz erforderlich sei. Der Senat verweist auf die Bestimmung des § 21a StVO. Sicherheitsgurt und Schutzhelm seien vorgeschrieben. Dieses allgemeine Bewusstsein des Schutzes des eigenen Körpers möge teilweise auch für Bekleidung gelten, also etwa für eine Motorradhose, nicht aber für Schuhe.
Es gebe im Übrigen derart viele verschiedene Schuharten, so dass schon unklar bleibe, welcher Standard das Verkehrsbewusstsein prägen solle. Es könne auch zutreffen, dass Stiefel im Gegensatz zu leichtem Schuhwerk die Verletzungsgefahr herabsetzen. Doch Statistiken darüber, wie viel Motorradfahrer Motorradstiefel tragen, helfen nach Ansicht des OLG nicht weiter. Es gebe keine Normen und daher könne von einem Mitverschulden des Klägers gegen sich selbst nicht gesprochen werden.
OLG Nürnberg, Beschluss vom 09.04.2013 – 3 U 1897/12
(Quelle: Beck online)