Ein vom Unterhaltsberechtigten ausgehender einseitiger Kontaktabbruch gegenüber seinem volljährigen Sohn reicht für eine Verwirkung seines Anspruchs auf Elternunterhalt allein regelmäßig nicht aus. Dies hat der Bundesgerichtshof klargestellt. Aus dem Beschluss vom 12.02.2014 wird deutlich, dass auch zu berücksichtigen ist, wie sich der Unterhaltsberechtigte vor dem Kontaktabbruch im Hinblick auf seine elterlichen Pflichten verhalten hat.
Die Antrag stellende Freie Hansestadt Bremen verlangt vom Antragsgegner aus übergegangenem Recht Elternunterhalt. Die Eltern des 1953 geborenen Antragsgegners trennten sich 1971. Ihre Ehe wurde noch im selben Jahr geschieden. Der Antragsgegner verblieb im Haushalt seiner Mutter und hatte anfangs noch einen losen Kontakt zu seinem Vater. Nach Erreichen des Abiturs im Jahr 1972 brach der Kontakt des volljährigen Sohnes zu seinem 1923 geborenen Vater ab. Dieser bestritt seinen Lebensunterhalt als Rentner aus den Erträgen einer Lebensversicherung sowie einer geringen Altersrente. 1998 errichtete er ein notarielles Testament, in dem er seine Bekannte zur Erbin einsetzte. Zudem bestimmte er, dass der Antragsgegner nur den «strengsten Pflichtteil» erhalten solle. Erläuternd führte der Vater in dem Testament aus, dass zu seinem Sohn seit rund 27 Jahren kein Kontakt mehr bestehe.
Im April 2008 verzog der Vater in eine Heimeinrichtung. Er starb im Februar 2012. Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner im Hinblick auf die seinem Vater in der Zeit von Februar 2009 bis Januar 2012 nach dem Sozialgesetzbuch erbachten Leistungen auf Zahlung eines Gesamtbetrages von rund 9.023 Euro in Anspruch. Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht den Antrag zurückgewiesen, weil der Anspruch auf Elternunterhalt verwirkt sei. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Der BGH hat den Beschluss des OLG auf die Rechtsbeschwerde aufgehoben, die Beschwerde zurückgewiesen und damit die amtsgerichtliche Entscheidung wiederhergestellt. Der – zur Höhe unstreitige – Anspruch auf Elternunterhalt sei trotz des Kontaktabbruchs zu dem volljährigen Sohn nicht nach § 1611 Abs. 1 BGB verwirkt. Ein vom unterhaltsberechtigten Elternteil ausgehender Kontaktabbruch stelle wegen der darin liegenden Verletzung der sich aus § 1618a BGB ergebenden Pflicht zu Beistand und Rücksicht zwar regelmäßig eine Verfehlung dar. Sie führe aber nur bei Vorliegen weiterer Umstände, die das Verhalten des Unterhaltsberechtigten auch als schwere Verfehlung im Sinne des § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB erscheinen lassen, zur Verwirkung des Elternunterhalts. Solche Umstände seien im vorliegenden Fall nicht festgestellt. Zwar möge der Vater durch sein Verhalten das familiäre Band zu seinem volljährigen Sohn aufgekündigt haben. Andererseits habe er sich in den ersten 18 Lebensjahren seines Sohnes um diesen gekümmert. Er habe daher gerade in der Lebensphase, in der regelmäßig eine besonders intensive elterliche Fürsorge erforderlich ist, seinen Elternpflichten im Wesentlichen genügt. Die Errichtung des Testaments stelle keine Verfehlung dar, weil der Vater insoweit lediglich von seinem Recht auf Testierfreiheit Gebrauch gemacht habe.
BGH, Beschluss vom 12.02.2014 – XII ZB 607/12
(Quelle: Beck online)