Ein offener, fälliger Saldo aus einer Betriebskostenabrechnung ist kein tauglicher Kündigungsgrund i.S.v. § 543 BGB.
Die Parteien streiten nach einer fristlosen Kündigung über deren Wirksamkeit und einen Räumungsanspruch der Klägerin. Die Parteien stritten ursprünglich über eine Betriebskostennachforderung, die die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits gezahlt hat. Die Klägerin hat wegen der Nichtzahlung dieses Betrages die außerordentliche fristlose Kündigung des Mietvertrages erklärt.
Nach Auffassung des AG Hamburg hat die Klägerin keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Räumung der Wohnung gem. § 546 BGB. Ein Vermieter könne eine Zahlungsverzugskündigung nicht mit Erfolg auf die Nichtzahlung von Betriebskostensalden stützen. Nachzahlungsbeträge aus Betriebskostenabrechnungen gehörten nicht zur Miete i.S.v. § 543 II 1 Nr. 3 BGB. § 543 BGB sehe für den Vermieter eine fristlose Kündigungsmöglichkeit vor, wenn der Mieter mit der Miete in Verzug ist. § 543 II 1 Nr. 3 BGB nenne aber inhaltlich entweder „zwei aufeinander folgende Termine“, oder aber einen „Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt“. Diese Formulierung sei ein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber dem Vermieter nur dann eine Möglichkeit zur fristlosen Kündigung geben wollte, wenn die „laufende“ Miete mit bestimmten Mindestbeträgen nicht gezahlt wird. Denn der Gesetzgeber habe auf zwei aufeinanderfolgende Termine abgestellt, oder aber auf einen Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt mit weiteren Voraussetzungen. Der Wortlaut zwei Termine weise darauf hin, dass hier die laufende Miete gemeint ist. Das könne zwar auch die Nichtzahlung von rückständigen Betriebskostenvorauszahlungen sein, aber auch dann gehe es um laufende Miete; vorliegend gehe es aber um die (zeitweilige) Nichtzahlung eines Saldos aus einer Betriebskostenabrechnung, d.h. also nicht einer laufenden Miete.
Wollte man die Nichtzahlung einer Betriebskostenabrechnung als Grundlage für eine fristlose Kündigung sehen, so könnte ein Vermieter drei Wochen nach Zugang einer solchen Abrechnung – wenn der Nachzahlungsbetrag entsprechend hoch ist – bei fehlender Zahlung des Mieters sofort eine fristlose Kündigung aussprechen. Denn da die Betriebskostenabrechnung gem. § 271 BGB sofort fällig wird, würde dem Vermieter die Möglichkeit sofort offen stehen, fristlos zu kündigen. Das aber lasse sich mit dem fein austarierten Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter und den Möglichkeiten des Vermieters, zu kündigen, wie es in § 543 BGB geregelt ist, nicht vereinbaren. Es würde sich zudem nicht damit vereinbaren lassen, dass das Gesetz in § 556 III BGB Fristen nennt, die für Betriebskostenabrechnungen maßgeblich sind. Denn nach § 556 III 5 BGB könnten Einwendungen des Mieters gegen die Abrechnung des Vermieters spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Zugang der Abrechnung mitgeteilt werden. Zwar sei eine Betriebskostenabrechnung bzw. der Saldo derselben sofort fällig, § 271 BGB. Die Fälligkeit werde nicht davon berührt, ob gegebenenfalls dem Mieter eine Überprüfungsfrist zusteht, solange der Vermieter dem Mieter z. B. die Einsicht in die Belege verweigert. Dann stehe dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht zu. Aber selbst bei einer formell und materiell richtigen Betriebskostenabrechnung dürfte auch die Durchsetzbarkeit vor Gericht mindestens über § 242 BGB jedenfalls eine Zeit lang gesperrt sein; der Vermieter könne also z.B. nicht bei einer Abrechnung am 29.12. eines Jahres sofort am 05.01. des Folgejahres auf Zahlung klagen. Alle diese Schwierigkeiten, die mit der Fälligkeit eines Betriebskostensaldos zusammenhängen, zeigten deutlich, dass ein solcher offener Saldo jedenfalls nicht in das fein austarierte System der §§ 543 und 569 BGB passt. Weder mit dem Wortlaut (aufeinanderfolgende Termine), noch mit dem Sinn und Zweck von §§ 543 und 569 BGB sei es vereinbar, den Saldo aus einer Betriebskostenabrechnung als offene Miete im Sinne von § 543 BGB anzusehen.
AG Hamburg-Bergedorf, Urteil vom 04.12.2012 – 409 C 174/12
(Quelle: beck-fachdienst Mietrecht – FD-MietR 2013, 348194)