Kollidiert ein Fahrzeug, das unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 30% eine Vorfahrtstraße befährt, mit einem einfahrenden wartepflichtigen Fahrzeug, das wegen Sichtbehinderung langsam und vorsichtig in die Vorfahrtstraße eingefahren ist und beim Erkennen der Gefahr anhielt, haftet der Vorfahrtsberechtigte nach einem Urteil des Oberlandesgerichts München zu 2/3. Pauschale Nebenkosten sind in Höhe von 25 EUR zu erstatten.
Die wartepflichtige Klägerin war in ihrer Sicht durch parkende Fahrzeuge behindert, als sie langsam in eine Vorfahrtstraße einfuhr. Als sie die Beklagte wahrnahm, die sich auf der Vorfahrtsstraße rasch näherte, blieb sie stehen. Es kam dennoch zur Kollision.
Ein verkehrsanalytischer Sachverständiger hat errechnet, dass der Beklagte statt der erlaubten 50 km/h mit 64-79 km/h gefahren war. Zeugen war das laute Motorgeräusch aufgefallen. Sie hatten auch die starke Beschleunigung des Beklagten wahrgenommen.
Die wartepflichtige Klägerin hatte außergerichtlich mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche keinen Erfolg. Am Landgericht erhielt sie 1/3 ihrer Ansprüche zugesprochen. Sie legte Berufung ein mit dem Ziel, 2/3 zu erhalten und hatte Erfolg. Keinen Erfolg hatte sie, soweit sie eine höhere Unkostenpauschale als 25 EUR forderte.
Der Senat legt die Schätzungen des Sachverständigen mit 64-79 km/h seiner Entscheidung zugrunde. Er berücksichtigt aber auch die Zeugenaussagen unter Berücksichtgung der Tatsache, das Zeugen bezüglich irgendwelcher Geschwindigkeitsschätzungen in der Regel unzuverlässig sind. Die Zeugen hätten sich aber auch auf die Auspuffgeräusche bezogen (der Beklagte fuhr ein großvolumiges 8-Zylinder-Fahrzeug). Den Zeugen war das Beklagtenfahrzeug wegen des Motorgeräusches und wegen der hohen Geschwindigkeit bereits vor der Kollision aufgefallen.
Der Senat hat sich so die Überzeugung gebildet, dass der Beklagte die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit jedenfalls um 30% überschritten hat. Er dreht daher die vom Erstgericht vorgenommen Haftungsverteilung um und spricht der Klägerin 2/3 zu.
Bezüglich der Unkosten, die geltend gemacht werden, verbleibt der Senat bei den bisher zugesprochenen 25 EUR. Für eine Anhebung der vor der Währungsumstellung zuletzt angenommenen 50 DM bestehe kein Anlass. Das Umrechnen der 50 DM auf 25,56 EUR führe allenfalls zu einer Pseudogenauigkeit. Im Rahmen seiner Schätzung gemäß § 287 ZPO verbleibe es daher bei 25 EUR.
OLG München, Urteil vom 26.04.2013 – 10 U 4938/12
(Quelle: beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht – FD-StrVR 2013, 346238)