Bei einer Massenentlassung ist die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens nach § 17 KSchG Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung. Eine ohne vorherige Konsultation mit dem Betriebsrat erstattete Massenentlassungsanzeige ist unwirksam. Der Arbeitnehmer muss diesen Fehler nicht konkret rügen, wenn sich aus den vom Arbeitgeber vorgelegten Unterlagen ein derartiger Unwirksamkeitsgrund eindeutig ergibt.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Die Beklagte ist eine ehemalige griechische Fluggesellschaft, die zu Ende September 2009 weltweit ihren Flugbetrieb eingestellt hatte. Die Interessenausgleichsverhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat scheiterten Ende 2009, der Sozialplan vom 04.12.2009 erging als Spruch der Einigungsstelle. Mit Schreiben vom 17.12.2009 hörte die Beklagte den örtlichen Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung nach § 102 BetrVG an und informierte über die geplante Massenentlassung nach § 17 II KSchG. Am gleichen Tag erstattete die Beklagte bei der Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige. Mit Schreiben vom 15.01.2010 kündigte sie das Arbeitsverhältnis. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage und argumentierte zweitinstanzlich u.a., dass die Beklagte der Agentur für Arbeit die Anhörungsschreiben an den Betriebsrat nicht übermittelt habe. ArbG und LAG wiesen die Klage ab.
Die Revision hatte Erfolg. Das BAG gab der Kündigungsschutzklage u.a. deswegen statt, weil die Beklagte die Massenentlassungsanzeige ohne vorheriges Konsultationsverfahren erstattet hatte.
Die Klägerin habe zwar nicht ausdrücklich Fehler beim Konsultationsverfahren nach § 17 II KSchG gerügt, jedoch pauschal Fehler bei der Massenentlassungsanzeige. Den Arbeitgeber treffe die Darlegungslast für die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens nach § 17 KSchG. Zwar könne der Arbeitnehmer nach substantiiertem Vortrag des Arbeitgebers sich nicht auf ein pauschales Bestreiten beschränken. Trage der Arbeitgeber jedoch ohne konkrete Rüge des Arbeitnehmers zu dem von ihm durchgeführten Massenentlassungsverfahren vor und ist eindeutig ersichtlich, dass er den Anforderungen des § 17 KSchG nicht genügt hat, hat das Gericht diesen Unwirksamkeitsgrund von Amts wegen zu berücksichtigen.
Die Beklagte habe gegen ihre Konsultationspflicht nach § 17 II KSchG verstoßen. Das Konsultationsverfahren sei nicht deswegen entbehrlich, weil der Betrieb stillgelegt worden sei. Solche Beratungen, die vor allem auf die Zahlung von Abfindungen oder die Einrichtung einer Transfergesellschaft zielen, seien zwar auch Gegenstand der Sozialplanverhandlungen. Es handele sich jedoch um verschiedene Verfahren, die nicht deckungsgleich seien. Bei einer geplanten Betriebsstilllegung müsse deshalb nicht nur das Verfahren nach §§ 111 ff. BetrVG, sondern auch nach § 17 II KSchG durchgeführt werden. Die Mitteilung an den örtlichen Betriebsrat vom 17.12.2009 genüge den Anforderungen des § 17 II KSchG schon deswegen nicht, da für das Konsultationsverfahren der Gesamtbetriebsrat originär zuständig gewesen wäre, weil der geplante Personalabbau auf der Grundlage eines unternehmenseinheitlichen Konzepts durchgeführt werden sollte und mehrere Betriebe von der Betriebsänderung betroffen waren.
BAG, Urteil vom 13.12.2012 – 6 AZR 5/12
(Quelle: beck-fachdienst Arbeitsrecht – FD-ArbR 2013, 345975)