Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls kann bei Geltendmachung eines fiktiven Reparaturkostenersatzes auch die Lohnnebenkosten und Sozialabgaben ersetzt verlangen, selbst wenn diese tatsächlich nicht anfallen. Dies hat das Amtsgericht München mit Urteil vom 24.04.2012 entschieden.
Ende April 2011 kam es in München zu einem Verkehrsunfall. Der geschädigte Autofahrer ließ sein Fahrzeug begutachten. Der Sachverständige bezifferte die Kosten für eine sach- und fachgerechte Reparatur auf netto 16.512 Euro einschließlich eines Betrages für Lohnkosten von 7.688 Euro. Diese Kosten machte der Autobesitzer gegenüber seinem Unfallgegner geltend. Dieser zahlte allerdings nur 15.743 Euro. Schließlich sei das Auto nicht tatsächlich repariert worden, die Lohnnebenkosten und Sozialabgaben daher nicht angefallen. Ein Abschlag von 10% sei daher auf jeden Fall gerechtfertigt.
Das AG folgte den Argumenten des Unfallgegners nicht. Die von dem Kfz-Sachverständigen ermittelten voraussichtlichen Reparaturkosten von netto 16.512 Euro seien vollumfänglich erstattungsfähig. Der Beklagte sei nicht berechtigt, auf die enthaltenen geschätzten Lohnkosten von netto 7.688 Euro einen Abschlag von 10% vorzunehmen. Ein Geschädigter könne den Geldbetrag verlangen, der zur Herstellung des früheren Zustandes des Pkws erforderlich sei. Er sei damit grundsätzlich berechtigt, seinen unmittelbaren Sachschaden fiktiv abzurechnen und mithin die Kosten, die bei einer sach- und fachgerechten Reparatur der beschädigten Sache üblicherweise anfallen würden, geltend zu machen.
Diese Kosten setzten sich aus einer Fülle von Positionen zusammen. Zu ihnen gehörten nicht nur die Einkaufspreise für die Ersatzteile und Verbrauchsmaterialien sowie die Nettolohnkosten für die Mechaniker, Lackierer und Elektroniker, sondern auch die Anteile an den allgemeinen Anschaffungs- und Betriebskosten, der Gewinn sowie die Steuern und Sozialabgaben. Eine Unterscheidung, ob diese Faktoren auch wert- oder nur preisbildend sind, werde dabei grundsätzlich nicht vorgenommen. Eine Ausnahme enthalte das BGB lediglich für die Position der Umsatzsteuer. Diese sei nur erstattungsfähig, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen sei, da der Geschädigte zwar nicht schlechter, aber auch nicht besser als ohne das schädigende Ereignis gestellt werden solle.
Für die vorliegenden Positionen der Lohnnebenkosten und Sozialabgaben mache das Gesetz eine solche Einschränkung dagegen gerade nicht. Dies beruhe auf dem Umstand, dass die Umsatzsteuer zum einen den größten Faktor der durchlaufenden Kosten darstelle, zum anderen auch auf dem Gedanken, dass deren Ausnahme anders als die Ausnahme anderer durchlaufender Kosten handhabbar sei. Andere Positionen könnten nicht ohne Weiteres ermittelt und beziffert werden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Übergang von auch wert- zu nur preisbildenden Faktoren fließend sei. Nicht jede Position sei so klar zu zuordnen wie die Umsatzsteuer. Ebenso würden die betriebswirtschaftlichen Kalkulationsgrundlagen der voraussichtlichen Reparaturkosten weder in einem bei einer Kfz-Fachwerkstatt eingeholten Kostenvoranschlag noch in einem von einem Kfz-Sachverständigen erstatteten Schadensgutachten (vollständig) offengelegt. Von den durchlaufenden Positionen werde lediglich die Umsatzsteuer als solche ausgewiesen und beziffert.
AG München, Urteil vom 24.04.2012 – 332 C 1529/12
(Quelle: Beck online)