Eine vorübergehende erhöhte Verkehrslärmbelastung aufgrund von Straßenbauarbeiten stellt unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls dann, wenn sie sich innerhalb der in Innenstadtlagen üblichen Grenzen hält, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel der vermieteten Wohnung dar.
Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Das Mietshaus befindet sich in der S-Straße, die zu Mietbeginn keine unmittelbare Verbindung mit der davor liegenden Hauptstraße hatte. Von Juni 2009 bis November 2010 wurde der stadteinwärts fahrende Verkehr, den bis dahin die Hauptstraße aufgenommen hatte, über die S-Straße geleitet. Der Grund für die geänderte Verkehrsführung lag in (vor-übergehenden) umfangreichen Straßenbauarbeiten auf der gesamten Länge der Hauptstraße. Die Beklagten minderten wegen der gestiegenen Lärmbelastung die Miete ab Oktober 2009. Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Zahlung rückständiger Miete in Anspruch.
Nach Auffassung des BGH stand den Beklagten während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums kein Recht auf Minderung der vereinbarten Miete zu. Die gegenüber dem Zustand bei Vertragsschluss in der Wohnung vernehmbare erhöhte Lärmbelastung stelle keinen zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache dar. Die Parteien hätten bei Abschluss des Mietvertrages hinsichtlich zukünftiger, von Dritten verursachter Lärmbelästigungen nicht den zur Zeit des Vertragsschlusses bestehenden Zustand für die gesamte Dauer des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrags als unverändert bestehend bleibend „stillschweigend vereinbart“. Auch eine konkludente Vereinbarung setze zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Für die Annahme einer solchen Willensübereinstimmung bezüglich eines sogenannten Umweltfehlers reiche es nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsschluss einen von außen auf die Mietsache einwirkenden Umstand – wie hier den in der Wohnung zu vernehmenden Straßenlärm – in einer für ihn vorteilhaften Weise wahrnimmt (etwa: „ruhige Lage“) und er sich (möglicherweise auch) wegen dieses Umstands dafür entscheidet, die Wohnung anzumieten. Zur konkludent geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung werde dieser Umstand vielmehr nur, wenn der Vermieter aus dem Verhalten des Mieters nach dem objektiv zu bestimmenden Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer dieses bei Vertragsschluss bestehenden Umstands über die unbestimmte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht, und der Vermieter dem zustimmt. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genüge für die Annahme einer diesbezüglichen Willensübereinstimmung selbst dann nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt ist. Erforderlich sei jedenfalls, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert. Vorliegend lägen keine Umstände vor, unter denen eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung angenommen werden könnte.
Auch die Bestimmung des zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustands nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) führe nicht dazu, dass in der durch die straßenbaubedingte Umleitung des Verkehrs verursachten erhöhten Lärmbelastung ein Mangel zu sehen wäre, der die Beklagten in dem streitgegenständlichen Zeitraum zur Minderung berechtigte. Die gegenüber den Verhältnissen bei Vertragsschluss erhöhten Lärmwerte stellten – ausgehend von der im Berliner Mietspiegel aufgestellten Grenze der Verkehrslärmbelastung – keine hohe Belastung dar. Unter Berücksichtigung dessen, dass sich die vermietete Wohnung in der Berliner Innenstadt befindet, mithin in einer Lage, bei der jederzeit mit Straßenbauarbeiten größeren Umfangs und längerer Dauer zu rechnen ist, hätten die Beklagten diese (erhöhte) Lärmbelastung redlicherweise hinzunehmen. Für die Annahme des Berufungsgerichts, die vereinbarte Miete sei ab dem siebten Monat nach Eintreten der erhöhten Lärmbelastung gemindert, sei ein sachlicher Grund nicht erkennbar. Denn eine vorübergehende erhöhte Lärmbelastung stelle unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls dann, wenn sie sich – wie hier – innerhalb der in Berliner Innenstadtlagen üblichen Grenzen hält, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel dar.
BGH, Urteil vom 19.12.2012 – VIII ZR 152/12
(Quelle: beck-fachdienst Mietrecht – FD-MietR 2013, 34249 )