Berufsunfähigkeit kann nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs auch dann vorliegen, wenn Gesundheitsbeeinträchtigungen eine Fortsetzung der Berufstätigkeit unzumutbar erscheinen lassen. Eine solche Unzumutbarkeit komme etwa in Betracht, wenn die Erkrankung einer Weiterarbeit vordergründig zwar nicht im Wege steht, dem Versicherten dabei aber infolge einer durch die Erkrankung indizierten Medikamenteneinnahme ernsthafte weitere Gesundheitsgefahren drohen.
Der Kläger begehrt vom beklagten Versicherer Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Das Berufungsgericht (OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.12.2010 – 5 U 8/10-1, BeckRS 2011, 18061, FD-VersR 2011, 320702) hatte die Klage abgewiesen, weil keine Gesundheitsbeeinträchtigung vorliege, durch die der Kläger gehindert sei, den Beruf als Schweißer auszuüben. Die Berufsausübung sei für den Kläger auch nicht deswegen unzumutbar, weil er aufgrund einer lebenslang medizinisch notwendigen Einnahme eines Blutgerinnungshemmers ein erhebliches zusätzliches Risiko innerer Blutungen nach Stürzen trage. Der BGH teilte durch Beschluss mit, dass er beabsichtige, die vom OLG zugelassene Revision des Klägers gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen. Das Verfahren wurde durch Zurückweisungsbeschluss erledigt.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lägen nicht vor, da die relevanten grundsätzlichen Fragen durch seinen Versicherungsrechtssenat bereits geklärt seien, so der BGH. Die Revision habe auch keine Aussicht auf Erfolg. Zwar liege eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht nur dann vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls nicht mehr zur Fortsetzung seiner zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit imstande sei, sondern auch dann, wenn Gesundheitsbeeinträchtigungen eine Fortsetzung der Berufstätigkeit unzumutbar erscheinen ließen.
Eine solche Unzumutbarkeit komme in Betracht, wenn sich die fortgesetzte Berufstätigkeit angesichts einer drohenden Verschlechterung des Gesundheitszustands als Raubbau an der Gesundheit und deshalb überobligationsmäßig erweise oder wenn andere mit der Gesundheitsbeeinträchtigung in Zusammenhang stehende Umstände ergäben, dass dem Versicherten die Fortsetzung der Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden könne (z.B. BGH, Urteil vom 11.10.2000 – IV ZR 208/99, r+s 2001, 167). Eine solche Unzumutbarkeit könne etwa daraus folgen, dass zwar die Erkrankung einer Weiterarbeit vordergründig nicht im Wege stehe, dem Versicherten dabei aber infolge einer durch die Erkrankung indizierten Medikamenteneinnahme ernsthafte weitere Gesundheitsgefahren drohten (BGH, Urteil vom 27.02.1991 – IV ZR 66/90, r+s 1991, 289). Für die Umstände, aus denen sich eine solche Unzumutbarkeit ergeben soll, trage der Versicherte die Darlegungs- und Beweislast. (BGH, Urteil vom 26.02.2003 – IV ZR 238/01, r+s 2003, 207)
Im vorliegenden Fall sei die vom Berufungsgericht vorgenommene Einzelfallwertung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, so der BGH weiter. Das Berufungsgericht hatte es als vom Kläger nicht bewiesen angesehen, dass eine ernsthafte und konkrete Gefahr eines Absturzes von Leitern oder Gerüsten in Zusammenhang mit seiner medikamentös herabgesetzten Blutgerinnung zu einem als unzumutbar zu bewertenden zusätzlichen Risiko einer weiteren Berufsausübung führe.
BGH, Beschluss vom 11.07.2012 – IV ZR 5/11
(Quelle: beck-fachdienst Versicherungsrecht – FD-VersR 2012, 338311)