Das Verwaltungsgericht Schleswig hat den Europäischen Gerichtshof angerufen, um klären zu lassen, ob Umweltverbände unmittelbar aus Unionsrecht gegen Produktzulassungen klagen können (Beschluss vom 20.11.2019, Az.: 3 A 113/18). Hintergrund ist eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen einen Freigabebescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) für ein vom Abgasskandal betroffenes VW-Modell, bei dem auch nach Aufspielen des Software-Updates noch eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines „Thermofensters“ vorhanden sei.
DUH wendet sich gegen KBA-Freigabebescheid
In dem Rechtsstreit vor dem VG Schleswig geht es um ein vom Abgasskandal betroffenes VW Golf-Modell. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) stellte in seinem Freigabebescheid fest, dass nach dem Aufspielen des Software-Updates keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr in den Fahrzeugen vorhanden seien. Das in den Fahrzeugen verbaute Thermofenster stelle keine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Dagegen wendete sich die DUH und legte Widerspruch gegen den Freigabebescheid ein. Da dieser bisher noch nicht beschieden wurde, erhob die DUH eine Untätigkeitsklage. Nach Auffassung der DUH ist das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung, da es schon unter Normalbedingungen aktiviert würde, obwohl es technisch möglich sei, Motoren anders zu konstruieren. Zunächst ist allerdings streitig, ob die DUH überhaupt klagebefugt ist.
VG: DUH unmittelbar aus Unionsrecht klagebefugt?
Das VG sieht keine Klagebefugnis nach dem deutschen Verfahrensrecht. Insbesondere ergebe sich eine solche nicht aus dem UmwRG, da es sich bei der Typengenehmigung – hier: Freigabe als modifizierte Typengenehmigung – um eine Produktzulassung und nicht um ein „Vorhaben“ handele. Weder komme eine unionsrechtskonforme Auslegung noch eine analoge Anwendung in Betracht. Für das VG stellt sich daher die Frage, ob die DUH eine Klagebefugnis unmittelbar aus dem Unionsrecht herleiten kann. Eine solche könnte sich nach seiner Auffassung im Lichte der EuGH-Rechtsprechung aus Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens in Verbindung mit Art. 47 EU-Grundrechecharta ergeben. Diese Frage solle nun der EuGH klären. Die weiteren Fragen des VG betreffen die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen.
EugH-Entscheidung könnte weitreichende Folgen haben
Da die DUH gegen alle Freigabebescheide des KBA Widerspruch eingelegt hat, wären alle vom Dieselskandal betroffenen Autos weiterhin illegal auf den Straßen, wenn der EuGH die Thermofenster als rechtswidrig ansieht, erklärt Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in diesem Verfahren vertritt, in einer Pressemitteilung des Verbands.
VG Schleswig , Beschluss vom 20.11.2019 – 3 A 113/18
(Quelle: beck online)