Die Volkswagen AG muss dem Käufer eines gebrauchten Audi A4 mit Dieselmotor EA 189 Eu5 aus dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung den Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung erstatten. Dies hat das Oberlandesgericht Köln in einem im Zusammenhang mit dem Abgasskandal stehenden Verfahren entschieden und damit ein Urteil des Landgerichts Köln bestätigt. Die Berufung der VW AG gegen das Urteil der Vorinstanz sei offensichtlich unbegründet, heißt es in dem Beschluss vom 03.01.2019 (Az.: 18 U 70/18).
Gekaufter gebrauchter Audi wies „Schummelsoftware“ auf
Der Kläger hatte bei einem Audi-Händler einen gebrauchten Audi A4 Avant 2.0 TDI mit einem Kilometerstand von rund 43.000 Kilometern zu einem Preis von 21.500 Euro erworben. Eingebaut war ein Dieselmotor EA 189 Eu5 der VW AG. Im Motor war eine Software eingesetzt, die zwei unterschiedliche Betriebsmodi zur Steuerung der Abgasrückführung kannte. In Modus 1 kam es zu einem geringeren Ausstoß von Stickoxiden als in Modus 0. Der Modus 1 war allerdings nur beim Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus aktiv. Im normalen Straßenverkehr wurde der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motor nur im Modus 0 betrieben.
Käufer will trotz Software-Updates Kfz nicht behalten
Am 05.07.2018 ließ der Kläger, dem Angebot der Beklagten folgend, ein Software-Update einspielen, das – so die Darstellung der Beklagten – dafür sorgen sollte, den Motor des Fahrzeugs durchgängig in einem angepassten Modus 1 zu betreiben und damit auch im Normalbetrieb die öffentlich-rechtlichen Grenzwerte einzuhalten. Der Kläger machte geltend, dass er das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn er bei Vertragsschluss den tatsächlichen Schadstoffausstoß gekannt hätte. Das Software-Update sei nicht geeignet, den Mangel zu beheben. Zudem seien schädliche Auswirkungen auf den Motor zu befürchten. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in erster Instanz hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von circa 97.000 Kilometer.
OLG bestätigt Vorinstanz: VW muss 17.000 Euro Schadenersatz zahlen
Das LG hatte die VW AG dazu verurteilt, dem Kläger Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs im Wege des Schadenersatzes rund 17.000 Euro zu zahlen (BeckRS 2018, 26971). Dabei zog es für die vom Kläger gefahrenen rund 54.000 Kilometer einen Betrag von rund 4.500 Euro vom Kaufpreis ab und legte dabei eine Gesamtlaufleistung von 300.000 Kilometer zugrunde. Das OLG Köln hat diese Entscheidung bestätigt und die Berufung der VW AG als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
Fahrzeuge aufgrund der „Schummelsoftware“ mit rechtlichen Unsicherheiten belastet
Die Voraussetzungen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung im Sinne des § 826 BGB lägen vor. Die Mitarbeiter der Volkswagen AG hätten die mit der manipulativ wirkenden Software ausgerüsteten Motoren dem zum VW-Konzern gehörenden Hersteller gerade zum Zweck der Weiterveräußerung überlassen. Sie hätten damit gerechnet, dass die so ausgerüsteten Fahrzeuge ohne Hinweis auf die manipulativ wirkende Software weiterveräußert werden würden. Aus der Heimlichkeit des Einsatzes der Software gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt und den potentiellen Kunden ergebe sich mit hinreichender Sicherheit, dass die Mitarbeiter auch in der Vorstellung gehandelt hätten, dass der Einsatz der Software zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Typengenehmigung und der Betriebszulassung der Fahrzeuge führen könnte und dass potentielle Kunden Fahrzeuge, die derart mit rechtlichen Unsicherheiten belastet waren, nicht ohne Weiteres erwerben würden.
Beklagter VW AG Kenntnisse zuzurechnen
Diese Kenntnisse und Vorstellungen seien der Beklagten nach § 31 BGB zuzurechnen. Aufgrund des Sach- und Streitstandes sei davon auszugehen, dass der Vorstand der Beklagten über umfassende Kenntnisse vom Einsatz der Software verfügt habe. Zugunsten des Klägers greife eine Erleichterung der Darlegungslast: Es habe genügt, dass der außerhalb der Geschehensabläufe stehende Kläger allgemein behauptet habe, dass dem Vorstand der Beklagten sämtliche Umstände bekannt gewesen seien. Es sei dann Sache der Beklagten gewesen, konkret darzulegen, dass und wie einzelne Mitarbeiter unter Ausschluss des Vorstandes die mangelhafte Software pflichtwidrig beauftragen, bezahlen und verwenden ließen. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten habe nicht einmal ansatzweise ausgereicht.
Schaden bereits durch Fahrzeugerwerb eingetreten
Der zu ersetzende Schaden sei beim Kläger schon durch den Erwerb des Fahrzeugs eingetreten, weil dieses infolge der eingesetzten Software hinter den Vorstellungen des Klägers von der allgemein ordnungsgemäßen Ausrüstung des zu erwerbenden Pkw zurückgeblieben sei und sich dieses Zurückbleiben schon infolge der damit zunächst verbundenen Unsicherheiten für die Typengenehmigung und die Betriebszulassung nachteilig auf den Vermögenswert des Pkw ausgewirkt habe, so das OLG Köln. Dementsprechend könne in dem vom Kraftfahrtbundesamt erzwungenen Software-Update keine Erfüllung des Schadenersatzanspruchs liegen.
Entfallen des Schadens durch Software-Update nicht hinreichend dargelegt
Auch ein Entfallen des Schadens habe die Beklagte nicht hinreichend darzulegen vermocht. Sie habe nicht durch Offenlegung des Software-Updates in allen Details dargetan, dass das Update keine anderen negativen Auswirkungen haben könne.
Revision nicht zugelassen
Das OLG Köln hat die Revision nicht zugelassen. Der Fall habe sich unter Rückgriff auf die höchstrichterliche Rechtsprechung ohne Weiteres entscheiden lassen.
OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019 – 18 U 70/18
(Quelle: Beck online)