Das Landgericht Frankfurt am Main hat Volkswagen mit Urteil vom 30.04.2020 in einem Abgasfall wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zur Rückzahlung des Kaufpreises ohne Anrechnung einer Nutzungsentschädigung gegen Rückgabe des Fahrzeugs verurteilt. Ferner habe das LG Deliktszinsen auf den Kaufpreis seit dem Kaufdatum zugesprochen.
Klägerin hatte 2012 gebrauchten VW Sharan erworben
Die Klägerin erwarb Anfang Juli 2012 einen gebrauchten VW Sharan für 37.500 Euro. In dem Fahrzeug ist ein Motor vom Typ EA 189 verbaut. Der Kilometerstand betrug laut Kaufvertrag 1.500 Kilometer, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung 116.302 Kilometer. Das Software-Update wurde zwischenzeitlich aufgespielt. Die Klägerin begehrte von der Herstellerin aus Delikt die Rückzahlung des Kaufpreises und Deliktszinsen.
LG: Anspruch Rückzahlung des gesamten Kaufpreises und auf Deliktszinsen
Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Klägerin habe wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus §§ 826, 31 BGB Anspruch auf Schadensersatz in Form der Rückzahlung des gesamten Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Der Konzern habe besonders verwerflich gehandelt, weil er aus purem Gewinnstreben gehandelt habe. Der Schaden liege schon im Abschluss eines ungewollten Kaufvertrages über ein mangelhaftes Fahrzeug. Das nachträgliche Aufspielen des Software-Updates stehe dem Anspruch daher nicht entgegen. Ferner habe die Klägerin Anspruch auf Deliktszinsen auf den gesamten Kaufpreis seit dem Kaufdatum aus § 849 BGB, insgesamt auf knapp 11.800 Euro.
Keine Nutzungsentschädigung bei verwerflichem Verhalten
Laut LG muss sich die Klägerin auch keine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen. Aufgrund des Vorliegens einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung sei, wegen der Verwerflichkeit des Tuns, ein Ausgleich der gezogenen Nutzung prinzipiell als unbillig anzusehen und daher ausgeschlossen. Zudem seien Zivilgerichte gehalten, die Wettbewerbs- und zugleich Verbraucherschutzintention der EU im nationalen Bereich zu forcieren. Die Anrechnung von Nutzungen hielte den Käufer jedoch tendenziell von der Geltendmachung seiner Rechte ab und führe zudem mit fortschreitender Verfahrensdauer zu deren Aushöhlung.
Effektive Abschreckung nur durch unbeschränkte Rückabwicklung
Außerdem sei, gerade in Fällen eines vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens, eine effektive Unterbindung das einzige Mittel, durch Steuerung des Verhaltens eine Verhaltensänderung herbeizuführen und letztlich abschreckend zu wirken. Deswegen sei nur eine unbeschränkte Rückabwicklung des Vertrages angemessen und geboten. Denn nur dieser umfassende Schadensersatz entspreche dem Grundsatz der Naturalrestitution, dem Gebot von Treu und Glauben und stelle damit eine angemessene Umsetzung des effektiven Schutzes des Verbrauchers, der Sicherstellung eines effektiven Wettbewerbs sowie im vorliegenden Fall zudem der öffentlichen Zielsetzungen der Minimierung der Abgasemission, letztlich der Verbesserung des Umwelt- und Klimaschutzes, dar.
LG Frankfurt, a. M., Urteil vom 30.04.2020 – 2-27 O 2/19
(Quelle: Beck-aktuell)