Nach zwei Hinweisbeschlüssen des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22.08.2019 ist es möglich, dass die Volkswagen AG auch bei Fahrzeugen mit einem von der Audi AG hergestellten 3,0 l Motor (EU5-Norm) wegen Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung haftet. Daher sei dazu ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Streit um Audis mit 3-Liter-Motoren
Kein amtlicher Rückruf
Landgerichte wiesen Klagen ab
Die Landgerichte Heidelberg und Karlsruhe wiesen die Klagen gegen die Volkswagen AG jeweils ab. Das LG Heidelberg erachtete die Behauptungen des Klägers zum Vorhandensein einer Abschalteinrichtung für nicht hinreichend konkret, das LG Karlsruhe sah durch den dortigen Kläger schon nicht nachgewiesen, dass die Volkswagen AG Herstellerin des Motors ist und bei der behaupteten Manipulation beteiligt war.
OLG: Haftung der Volkswagen AG möglich
Das OLG Karlsruhe hat nun in seinen Hinweisbeschlüssen darauf hingewiesen, dass eine Haftung der Volkswagen AG in beiden Verfahren in Betracht komme, auch wenn sie nicht Herstellerin des jeweiligen Fahrzeugs oder Motors sei. Wie der 17. Zivilsenat bereits in seinem Urteil vom 18.07.2019 entschieden habe, könnten die Tragweite der Entscheidung über den Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motortyp, der in einer großen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut werde, die Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in den Volkswagenkonzern und den ordnungsgemäßen Ablauf des Genehmigungsverfahrens sowie die in Kauf genommenen erheblichen Folgen für die Käufer in Form der drohenden Stilllegung der erworbenen Fahrzeuge zur Sittenwidrigkeit der Entscheidung der Volkswagen AG im Sinne des § 826 BGB führen.
Manipulationssoftware bei 3-Liter-Motoren? – Sachverständigengutachten einzuholen
Daher sei in beiden Fällen ein Sachverständigengutachten zu der bestrittenen Behauptung einzuholen, auch der 3,0 l Motor (EU5-Norm) enthalte eine Software, die den Rollenprüfstand erkennt und in einen optimierten Betriebsmodus schaltet, um so die Grenzwerte dort einzuhalten, der aber im Straßenverkehr nicht aktiv ist.
„Thermofenster“: VW muss noch näher vortragen
Zu der Behauptung, die Motorsteuersoftware enthalte eine Abschaltvorrichtung in Form eines sogenannten Thermofensters, das die Abgasrückführungsquote temperaturabhängig steuere und ebenfalls unzulässig sei, muss nach Auffassung des Senats die Volkswagen AG noch Näheres vortragen. Denn bereits der im Rahmen der Tests der Untersuchungskommission „Volkswagen“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur ermittelte Stickoxidwert dieses Motors sei im Straßenverkehr knapp 6,2-fach überhöht gewesen, was für ein differenziertes Abgasmanagement spreche.
„Thermofenster“ ist Abschalteinrichtung
VW muss Erforderlichkeit zum Motorschutz darlegen und beweisen
Dass eine solche Einrichtung ausnahmsweise aus Gründen des Motorschutzes zulässig sei, muss nach Ansicht des Senats durch die Volkswagen AG dargelegt und bewiesen werden. Da es für die weitere Beurteilung auf die konkrete Ausgestaltung des Thermofensters ankomme, habe die Volkswagen AG daher detailliert darzulegen, in welchen Temperaturbereichen die Abgasrückführung in welcher Weise angepasst werde. Anschließend sei gegebenenfalls zu der Behauptung, diese Ausgestaltung sei zum Motorschutz notwendig und dieser nicht anders sicherzustellen, ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Bei Unzulässigkeit: Irrtum oder vorsätzliches Erschleichen der EU-Typengenehmigung?
Sofern das Thermofenster unzulässig sein sollte, könne dann anhand dessen konkreter Ausgestaltung festgestellt werden, ob es sich um einen bloßen Irrtum über die Zulässigkeit gehandelt hat oder um ein vorsätzliches Erschleichen der EU-Typengenehmigung, das gegebenenfalls bei entsprechendem Wissen der Entscheidungsträger zu einer Haftung nach § 826 BGB führen könne.