Beim Tod des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks geht der Nutzungsvertrag grundsätzlich nach § 1922 BGB auf dessen Erben über. Dem Zugang zu dem Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen  Kommunikationsinhalten stehen weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht entgegen (amtl. Leitsatz).

Sachverhalt

Die Klägerin ist die Mutter der im Alter von 15 Jahren verstorbenen L. W. und neben dem Vater Mitglied der Erbengemeinschaft nach ihrer Tochter. Die Beklagte betreibt ein soziales Netzwerk, über dessen Infrastruktur die Nutzer miteinander über das Internet kommunizieren und Inhalte austauschen können.

2011 registrierte sich die Tochter der Klägerin im Alter von 14 Jahren im Einverständnis ihrer Eltern bei dem sozialen Netzwerk der Beklagten und unterhielt dort ein Benutzerkonto. 2012 verstarb das Mädchen unter bisher ungeklärten Umständen infolge eines U-Bahnunglücks.

Die Klägerin versuchte hiernach, sich in das Benutzerkonto ihrer Tochter einzuloggen. Dies war ihr jedoch nicht möglich, weil die Beklagte es inzwischen in den sog. Gedenkzustand versetzt hatte, womit ein Zugang auch mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich ist. Die Inhalte des Kontos bleiben jedoch weiter bestehen.

Die Klägerin beansprucht mit ihrer Klage von der Beklagten, den Erben Zugang zu dem vollständigen Benutzerkontoinsbesondere zu den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten. Sie macht geltend, die Erbengemeinschaft benötige den Zugang zu dem Benutzerkonto, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob ihre Tochter kurz vor ihrem Tod Suizidabsichten gehegt habe, und um Schadensersatzansprüche des U-Bahn-Fahrers abzuwehren.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Rechtliche Wertung     

1. Vererblichkeit des Vertragsverhältnisses bezüglich des Benutzerkontos

Im Unterschied zum Berufungsgericht entscheidet sich der Senat eindeutig für die uneingeschränkte Vererblichkeit der Rechte und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis bezüglich des Benutzerkontos. Deshalb hätten die Erben auch Anspruch auf Zugang zum Benutzerkonto der Erblasserin mit den darin enthaltenen vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen (digitalen) Inhalten.

Die Vererbbarkeit sei – so der Senat – auch nicht durch die Nutzungsbedingungen der Beklagten ausgeschlossen worden. Zwar sei hiernach die Weitergabe von Zugangsdaten oder des Benutzerkontos an Dritte nicht zulässig, doch bezögen sich diese Regelungen lediglich auf das Verhalten des Nutzers zu Lebzeiten, enthielten aber keine Aussage für den Todesfall. Offen bleibe, ob die Vererbbarkeit des vertraglichen Nutzungsverhältnisses und des daraus folgenden Kontozugangsrechts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich wirksam ausgeschlossen werden könne.

Die besonderen Bestimmungen der Beklagten zum Gedenkzustand hält der Senat für unvereinbar mit § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB , weil die Klauseln zwar die Vererbung des Nutzungsverhältnisses als solches nicht ausschlössen, sie jedoch dadurch aushöhlten, dass sie den Erben als Vertragspartnern nach der Mitteilung des Todes durch einen beliebigen Dritten das Recht des Zugangs zu dem Konto verwehrten. Dies widerspreche i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB den wesentlichen Grundgedanken des § 1922 BGB. Der Grundsatz der Universalsukzession diene der eindeutigen Zuordnung des Vermögens und damit der Rechtssicherheit der Beteiligten. Diese wäre nicht gewährleistet, wenn durch den Gedenkzustand ein „Datenfriedhof“ geschaffen würde, auf den bis auf die Beklagte niemand einen Zugriff habe.

Die Pflichten der Vertragsparteien seien auch nicht höchstpersönlicher Natur. Die Beklagte biete eine Kommunikationsplattform und erbringe damit lediglich technische Leistungen, die nicht personenbezogen seien. Diese könnten – anders als etwa bei einem Behandlungsvertrag mit einem Arzt – unverändert auch gegenüber den Erben erbracht werden. Auf der Nutzerseite sei das Vertragsverhältnis insoweit zwar auf den Kontoberechtigten zugeschnitten und damit personenbezogen, als nur dieser unter seinem Konto Inhalte veröffentlichen („posten“) und Nachrichten schreiben dürfe. Doch führe dies nicht zu dessen Unvererbbarkeit, sondern – wie beim Girovertrag (BGH, NJW 2000, 1258 ; BGHZ 131, 60, 64) – allenfalls zum Ausschluss der aktiven Weiternutzung des Kontos des Erblassers durch den Erben. Der Klägerin gehe es jedoch nicht um die Weiternutzung, sondern allein um Auskunft. Die gegenüber dem Erben geschuldete Leistungserbringung in Form der Zugangsgewährung zum bestehenden Kontoinhalt habe als solches keinen höchstpersönlichen Bezug.

Der höchstpersönliche Charakter und damit der vertragliche Ausschluss der Vererbbarkeit des Zugangsrechts zu dem Benutzerkonto sei im Nutzungsvertrag auch nicht stillschweigend vorausgesetzt worden. Angesichts der systemimmanenten, dem verständigen Nutzer bewussten und von der Beklagten nicht kontrollierbaren Anonymität des sich jeweils bei dem Benutzerkonto anmeldenden Nutzers könne nicht von einer Verpflichtung der Beklagten zur Übermittlung an eine bestimmte Person, sondern nur von der Pflicht zur Übermittlung an bzw. Bereitstellung für das ausgewählte Benutzerkonto ausgegangen werden. Weder für die Beklagte noch für den Versender einer Nachricht sei prüfbar, ob die sich mit den Benutzerdaten anmeldende Person mit der als Empfänger benannten Person identisch sei. Das Risiko, dass das Benutzerkonto unter falschem Namen geführt werde, trage der Kommunikationspartner. Gleiches gelte für die Gefahr, dass ein Dritter die Nachrichten und sonstigen Inhalte lesen könne, weil er durch Weitergabe der Zugangsdaten seitens des Kontoinhabers Zugriff auf den Inhalt des Benutzerkontos hat oder weil der Kontoberechtigte die Inhalte an Dritte weiterleitet oder diesen zeigt. Auch bei analogen Kommunikationswegen trage der Kommunikationspartner des Kontoinhabers dieses Risiko. Der Absender einer Nachricht dürfe zwar darauf vertrauen, dass seine Nachricht von der Beklagten nur für das von ihm ausgewählte Empfängerkonto bereitgestellt werde. Er müsse aber damit rechnen, dass Dritte dennoch Kenntnis vom Inhalt seiner Nachricht erhalten könnten. Diese gelte nicht nur zu Lebzeiten, sondern auch im Todesfall im Hinblick auf die Vererbung des Vertragsverhältnisses. Schließlich könne der Kommunikationspartner des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks nicht mit Recht erwarten, dass der Empfänger einer Nachricht diese auf dem Server des Netzwerkbetreibers belasse und nicht auf dem eigenen Computer oder einem anderen Medium (z.B. USB-Stick) lokal abspeichere oder auf Papier ausdrucke.

Die im Schrifttum teilweise befürwortete Differenzierung der Vererbbarkeit des Kontozugangs nach dem Inhalt des Benutzerkontos (Hoeren, NJW 2005, 2113, 2114; Martini, JZ 2012, 1145, 1152; Brinkert/Stolze/Heidrich, ZD 2013, 153, 155; hierzu auch Bräutigam, Stellungnahme des DAV zum Digitalen Nachlass, S. 16, 24 f.) lehnt der Senat ausdrücklich ab und folgt der h.M. in der Literatur. Nach der gesetzgeberischen Wertung gingen auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten unabhängig von einem Vermögenswert auf die Erben über, wie sich aus § 2047 Abs. 2 BGB und § 2373 Satz 2 BGB ergäbe. Diese Bestimmungen setzten die Vererbbarkeit voraus und erlaubten den Schluss, dass das Gesetz insoweit nicht zwischen höchstpersönlichem und vermögenswertem Nachlass differenziere.

Es bestehe aus erbrechtlicher Sicht auch kein Grund dafür, digitale Inhalte anders zu behandeln, da das entscheidende Kriterium der Höchstpersönlichkeit bei analogen und digitalen Inhalten gleichermaßen betroffen sei. Die Art der Verkörperung und Speicherung sei insoweit bedeutungslos.  Ein Unterschied bestehe lediglich in der Art und Weise der Vererbbarkeit: Während bei Schriftstücken oder Speichermedien im Eigentum bzw. Besitz des Erblassers diese Rechtspositionen auf die Erben übergingen, träten bei auf Servern befindlichen Inhalten die Erben in das diesbezügliche Vertragsverhältnis ein.

2. Kein Ausschluss durch das postmortale Persönlichkeitsrecht

Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (MüKoBGB/Rixecker, 7. Aufl., § 12 Anh. Rn. 160; Martini, JZ 2012, 1145, 1150 ff; Hoeren, NJW 2005, 2113, 2114; Brinkert/Stolze/Heidrich, ZD 2013, 153, 155) sieht der Senat das postmortale Persönlichkeitsrecht der Erblasserin nicht als Hinderungsgrund für die Vererbbarkeit digitaler höchstpersönlicher Inhalte. Ein dem Erbrecht vorgehendes Recht der nächsten Angehörigen an den höchstpersönlichen digitalen Inhalten begründe dies nämlich nicht.

3. Kein Ausschluss durch das Fernmeldegeheimnis

Das Fernmeldegeheimnis (§ 88 Abs. 3 TKG) schützt nach Auffassung des Senats weder den Erblasser noch den jeweiligen Kommunikationspartner vor einer Kenntnisnahme des Erben vom Inhalt des Benutzerkontos. Ein Verstoß gegen § 88 Abs. 3 TKG liege jedenfalls deshalb nicht vor, weil der Erbe eines Kommunikationspartners nicht „anderer“ i.S.d. Vorschrift sei.

4. Kein Ausschluss durch das Datenschutzrecht

Schließlich stehe dem Anspruch der Klägerin auch das Datenschutzrecht nicht entgegen. Weil die Klägerin eine künftige Handlung der Beklagten begehre, sei hier gemäß Art. 99 Abs. 2 DSGVO die Datenschutzgrundverordnung anzuwenden. Der Senat lässt offen, ob deren Anwendungsbereich im Hinblick auf die der Zugangsgewährung für die Erben immanente Verarbeitung von inhaltlichen Daten der Kommunikationspartner überhaupt eröffnet sei. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kommunikationspartner der Erblasserin durch die Übermittlung und dauerhafte Bereitstellung der jeweiligen Inhalte für die Erben sei jedenfalls sowohl nach Art. 6 Abs. 1 lit. b 1. Alt. DSGVO als auch nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zulässig. Die Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und geteilten Inhalten der Kommunikationspartner an das Benutzerkonto der Erblasserin erfolge auch in Erfüllung einer gegenüber dieser bestehenden vertraglichen Hauptleistungspflicht. An der Berechtigung der Datenverarbeitung nach der genannten Vorschrift ändere sich durch den Eintritt des Erbfalls nichts. Der Auftrag der Kommunikationspartner der Erblasserin zur Übermittlung einer Nachricht oder eines geteilten Inhalts wirke zeitlich unbegrenzt – auch über den Tod des Berechtigten des Empfängerkontos hinaus – und umfasse die dauerhafte Ermöglichung des Abrufs der auf dem Server der Beklagten gespeicherten Nachricht durch den Nutzer des Empfängerkontos. Die Erbengemeinschaft könne sich dabei auf das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Erbrecht berufen. Als berechtigtes Interesse der Klägerin und des Vaters der Erblasserin als Erben sowie Eltern der minderjährigen Verstorbenen sei auch anzuerkennen, dass diese durch den Zugang zu dem Benutzerkonto Aufschluss darüber erhalten möchten, ob die Erblasserin kurz vor ihrem Tod Suizidabsichten gehegt hat. Nicht nur zwingende rechtliche Interessen, sondern auch ein derartiges ideelles Interesse sei im Rahmen der Abwägung berücksichtigungsfähig.

Auf Seiten der Kommunikationspartner der Erblasserin sei das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 EUGRCh auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen sei dabei aber zunächst, dass die relevanten Daten von den Kommunikationspartnern freiwillig und bewusst an die Beklagte übermittelt worden seien. Inhalt und Umfang der preisgegebenen persönlichkeitsrelevanten Daten sowie den zur Kenntnisnahme befugten Personenkreis könne jeder Nutzer selbst bestimmen. Dabei sei dem Nutzer zugleich ebenso – oder noch viel mehr – wie dem Absender eines Briefs bewusst, dass er nach dem Versenden einer Nachricht nicht mehr kontrollieren könne, wer nach der Übermittlung und Bereitstellung durch die Beklagte letztlich von deren Inhalt Kenntnis nehme, und dass er grundsätzlich keine Möglichkeit habe, die übermittelte Nachricht bzw. den Inhalt zurückzufordern. Die Kommunikationspartner der Erblasserin hätten damit rechnen können und müssen, dass der Kontoberechtigte versterben und Dritte das Benutzerkonto erben und in das Vertragsverhältnis eintreten und damit als neue Kontoberechtigte Zugang auf die Kontoinhalte haben könnten.

Die oben dargelegten berechtigten Interessen der Klägerin und des Vaters der Erblasserin als Erben seien demgegenüber von deutlich höherem Gewicht. Die Interessen der Kommunikationspartner rechtfertigten es nicht, das gesetzliche Erbrecht der Erben teilweise auszuhöhlen. Gestützt werde dieses Ergebnis hier durch die besondere persönliche Interessenlage der Erben, die zugleich nächste Angehörige seien und ein sowohl ideelles als auch vermögenswertes Interesse an der Aufklärung der Umstände des Todes ihrer Tochter hätten.

Mit dieser Begründung bestätigt der Senat das Urteil des LG Berlin in dieser Sache.

BGH, Urteil vom 12.07.2018 – III ZR 183/17

Quelle: Beck online