Das Landgericht Stuttgart hat die VW-Dachgesellschaft Porsche SE zu Schadenersatz in Höhe von fast 47 Millionen Euro verurteilt. Grund ist die verspätete Information im Zuge des VW-Dieselskandals. Die Holding habe damit gegen kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten verstoßen, sagte Richter Fabian Reuschle am 24.10.2018. Der frühere VW-Chef, Martin Winterkorn, damals zugleich Vorstandschef der Porsche SE, habe zudem seine Pflichten mindestens grob fahrlässig verletzt und sich nicht genügend um die Aufklärung des Dieselskandals bei Europas größtem Autobauer gekümmert. Die Entscheidungen gegen die Porsche SE sind noch nicht rechtskräftig (Az.: 22 O 348/16, 22 O 281/16 und 22 O 101/16).
Britischer Investitionsfonds unter den Klägern
Die von den Familien Porsche und Piëch kontrollierte Holding Porsche SE hält gut 52% der Stimmrechte an Volkswagen. Die Holding – ebenso wie VW selbst – hatten die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Geklagt hatte unter anderem ein britischer Investitionsfonds. Er bekam rund 3,2 Millionen Euro Schadenersatz zugesprochen. Das Urteil stelle einen Meilenstein dar, sagte Anwalt Klaus Nieding. Bei dem anderen Kläger handelt es sich ebenfalls um einen Fonds. Beide Kläger hatten in Vorzugsaktien der Porsche SE investiert. Der Schadenersatzanspruch betrifft nach der Entscheidung nur den Zeitraum vom 23.05.2014 bis zum 22.09.2015.
Kritik an Winterkorn
Reuschle kritisierte, dass Winterkorn bei Volkswagen keine ausreichenden Rückstellungen für die Dieselaffäre gebildet habe und auch nicht einen Geschäftsbericht der Holding entsprechend korrigieren ließ. Er habe zudem entsprechende Informationen nicht an die Holding weitergeleitet. Er habe ab Mai 2014 der Entwicklung der Rechtsverstöße freien Lauf gelassen. Anstatt bei Volkswagen einen Lenkungsausschuss zur Aufklärung der Dieselaffäre einzurichten, habe der Manager in dem Fall die Entwicklung und Diskussion mit den Behörden abwarten wollen. „Das entspricht nicht mehr dem Leitbild eines sorgfältigen Geschäftsführers.“
Musterverfahren vor OLG Braunschweig
Neben Stuttgart ist auch am Oberlandesgericht Braunschweig ein Verfahren gegen Volkswagen und die Porsche SE anhängig. Dabei handelt es sich um ein Musterverfahren. Dort verlangen Investoren wie die Sparkassentochter Deka, die als Musterklägerin auftritt, Schadenersatz in Milliardenhöhe.
Auswirkungen der LG-Entscheidung für andere Verfahren unklar
Inwieweit der Stuttgarter Richterspruch nun Auswirkungen auf andere Verfahren hat, ist völlig unklar. Schon im Vorfeld hatte die Porsche SE angekündigt, im Fall einer Niederlage bis zum Bundesgerichtshof gehen zu wollen. VW hatte im September 2015 eingeräumt, bei Millionen Dieselautos Abgastests manipuliert zu haben und stürzte daraufhin in eine schwere Krise. Im Zuge dessen wurden umfassende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eingeleitet, unter anderem auch gegen Winterkorn.
Umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht als Beschuldigter
Der Einzelrichter wollte unter anderen in den Verfahren Winterkorn und auch den Bosch-Chef Volkmar Denner sowie andere hochrangige Manager aus der Branche als Zeugen hören. Doch dazu kam es nicht, weil Winterkorn als Beschuldigter ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht hat. In einem weiteren bei Reuschle anhängigen Verfahren soll ein weiterer Zeuge gehört werden.
LG Stuttgart, Urteil vom 24.10.2018 – 22 O 348/16; 22 O 281/16; 22 O 101/16
(Quelle: Beck online)